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28. Mai 2014

Kroatien: Die Stille nach der Flut

(Präsentiert von Gordan Godec aus Kroatien)

Der gepanzerte Armeewagen stoppt – der Motor verstummt. Während ich mich durch die Ausstiegsluke zwänge und auf den matschigen Asphalt trete, schießt mir ein beißender Gestank aus Chlor, Verwesung  und modrigem Wasser in die Nase. Leichte Übelkeit steigt auf. Um mich herum herrsch Stille – kein Wind, kein Tier, kein Mensch. Nichts.

Wir sind in Gunja, einem der überschwemmten Dörfer im Osten Kroatiens. Vor gut einer Woche wurde der Ort evakuiert, alle 4000 Bewohner in Sicherheit gebracht, als der Save-Damm brach und alles unter Wasser setzte. Seit zwei Tagen geht das Wasser nun langsam zurück. Militär und Polizei haben die Zugangsstraßen gesperrt. Die inoffizielle Quarantäne soll die Ausbreitung von Seuchen und vor allem Plünderungen verhindern.

Unser Kameramann Ivan Cvirn fährt weiter mit den Soldaten in einem kleine Motorboot quer durch das Dorf zu der Stelle, wo der Damm gebrochen ist. Ich ziehe mir den Mundschutz fest und wate in Gummistiefeln und Schutzanzug durch die verwüsteten, menschenleeren Gassen.  Kinderschuhe im Matsch, braunes Wasser fließt aus einem offenen Fenster – aus dem zweiten Stock. Einige Autowracks sind unter der Wasseroberfläche zu erkennen, am Friedhof ragen nur noch die Grabkreuze aus dem fauligen Wasser.

An einigen Häuser entdecke ich Einschüsse und Einschläge von Granatsplittern. Vor über 20 Jahren haben sich in Gunja Kroaten und Serben erbitterte Kämpfe geliefert. Die Dorfbewohner wurden damals im Krieg vertrieben, kamen irgendwo bei Verwandten unter. Auch nach den Gefechten war ich hier in Gunja, auch damals als Journalist im Panzerwagen. Es war ebenso menschenleer, ruhig und wie vor 20 Jahren übermannt mich ein eigenartiges Gefühl, friedlich und apokalyptisch zugleich: die Stille nach dem Sturm.

Schäden der Flutkatastrophe in Kroatien/Gunja. Ein Bericht von Till Rüger. Kamera: Ivan Cvirn Schnitt: Günter Stöger

http://youtu.be/vv2TTZ-t7y4?hd=1

Kommentare (1)

Katy Kolovos-Madzar am

Wir waren am 12.09.2014 in Gunja und haben unsere privat gesammelten Spenden dort hingebracht! Was wir dort gesehen haben hat uns zu tiefst getroffen!
Das Wasser ist immernoch nicht ganz abgeflossen, weil es auch immer und immer wieder stark regnet!
An den Strassenrändern türmen sich Schuttberge und die Häuser sind bis auf wenige nicht bewohnbar, komplett entkernt oder vom Einsturz bedroht!
Die Menschen dort sind inzwischen auf sich gestellt und versuchen Ihre Häuser bewohnbar zu machen, bevor der Winter kommt.
ABER …..
Es gibt keine Jobs, es gibt kein Geld !!!!
Wir waren in der Zentralen Sammelstelle und habe die Anziehsachen dort abgegeben und sofort kamen von überall Leute und haben beim Ausladen geholfen, sortiert und verteilt!
Sie haben sich so gefreut und gesagt, es ist so wichtig das weiter Hilfe kommt, weil inzwischen hat man Sie wohl vergessen!
Apothekenmaterialen wurden mit großer Dankbarkeit entgegengenommen, es fehlt halt an allem und die Ambulanz dort, früher ein kleines Krankenhaus ist heute nur noch ein Container!
Die Schulmaterialen wurden mit Freude entgegengenommen, viele Kinder haben nichts womit Sie lernen können.
Die Eltern haben kein Geld um alles neu zu kaufen und Spenden kommen kaum noch!
Wir waren einerseits froh etwas getan zu haben, sind aber dennoch mit einer grossen Traurigkeit dort weggefahren, weil dachten wir noch beim Hinfahren “ toll wir haben so viel Zeug dabei“
wussten wir beim Wegfahren, das war nur ein Tropfen auf den heissen Stein und eigendlich viel zu wenig!
Wir danken hiemit nochmal allen die gespendet haben!
Wir für uns haben beschlossen in 2 Wochen nochmal hinzufahren und weitere Sachen runterzubringen!
Also wer noch was hat … bitte melden!

Liebe Grüsse Anton und Katy

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