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18. Juni 2014

Ivica Olic: Ole, Ole, Ola! – Ein Kroate mit deutscher Arbeitsmoral

Wenn man von Zagreb nach Davor will, fährt man am besten auf der Autobahn bis Nova Gradiska, dann auf der Landstraße noch ca. 25 km bis zur kroatisch- bosnischen Grenze, und dort, in der Tiefebene des Flusses Save, liegt der genannte Ort mit seinen 2500 Einwohnern. „Was wollt Ihr hier überhaupt ?“ Mit dieser Frage kamen vor etwas mehr als einem Jahrzehnt die dortigen Bewohner den seltenen Fremden entgegen, denn Davor sei ein Blinddarm Kroatiens, sagen sie selbst. Und die Fremden stammten ja nicht einmal aus dem Dorf.

Heute wundern sie sich nicht mehr über unbekannte Besucher aus anderen Teilen Kroatiens, nicht mal über solche aus dem Ausland, sogar aus Japan und Korea kommen sie mittlerweile. Denn sie wissen jetzt, wegen wem diese fremdartigen Menschen, meistens Journalisten und Fotoreporter, zu ihnen kommen. In Davor wurde nämlich vor knapp 35 Jahren der berühmteste Sohn des Dorfes, der internationale Fußballstar und kroatische Nationalspieler Ivica Olic geboren.

Ivica Olic nach dem WM Eröffnungsspiel gegen Brazilien. Foto: picture alliance/dpa | Diego Azubel
Ivica Olic nach dem WM Eröffnungsspiel gegen Brazilien. Foto: picture alliance/dpa | Diego Azubel

In Brasilien nimmt Olic an seiner dritten WM teil. „Es wäre die vierte, wenn Kroatien vor vier Jahren in Südafrika dabei gewesen wäre“, erzählt Stanislav Stuburic, Präsident des FC „Posavac-Davor“, des Clubs, wo Olic angefangen hat, Fußball zu spielen. „Ich habe damals die erste Mannschaft trainiert“, erinnert sich Stuburic, „auch den älteren Bruder von Ivica, der eigentlich begabter war.“ Der habe aber nicht die Ausdauer und Lust gehabt, so hart zu trainieren wie Ivica. „Obwohl Ivica noch ein Kind war“, so die Beobachtung seines ehemaligen Trainers, „konnte man sofort erkennen, dass er es mit seinem starken Willen und der Bereitschaft, jede Anstrengung zu unternehmen, schaffen wird.“ Aber kaum einer habe damals ahnen können, „ dass er es zu so einer blendenden internationalen Kariere bringt.“

Olic ist nicht nur ein herausragender Fußballspieler, sondern auch ein guter Mensch, immer hilfsbereit. Das behaupten alle Leute, die man in den Kneipen oder auf den Straßen von Davor trifft. Er hat seinen Geburtsort nie vergessen und hilft immer, wenn nötig. So schickt er regelmäßig Bälle und Ausrüstung für die Fußballer des kleinen Dorfvereins, auch die Flutlichtanlage für den Tennisplatz hat er bezahlt.

„All das ist kein Wunder“, sagt Clubpräsident Stuburic, der mit der Familie Olic befreundet ist, „ denn er kommt aus einer bescheidenen und aufrichtigen Familie.“ Er helfe nicht nur seinen Nächsten und dem Dorf, sondern überall, wo es nötig ist, fügt Olics Schulfreund Josip hinzu. So habe er vor kurzem den Opfern der großen Überschwemmungen in der Region geholfen, obwohl sein Dorf und seine Angehörigen davon nicht betroffen waren. „Aber an solchen Geschichten haben die sensationslüsternen Medien kein Interesse“, sagt Josip resigniert. Olic sei eben keiner, der mit starken Sprüchen, rüpelhaftem Benehmen, aggressivem Auftreten und wildem Nachtleben Schlagzeilen mache. Olic ist ein zurückhaltender Familien-Mensch, der seine Freizeit am liebsten mit Ehefrau Natalie und den drei Kindern verbringt. Und wenn er im Dorf ist, dann trifft er seine Eltern, den älteren Bruder Marin und die jüngere Schwester Dubravka, die immer noch dort leben, und jetzt in Brasilien ihren Bruder und das kroatische Nationalteam live anfeuern. Jeden Sommer kommt Ivica Olic für ein paar Tage ins Dorf, und auch dann trainiert er jeden Tag. „Er arbeitet wie ein Deutscher, aber wenn er in ein Geschäft geht oder in die Kneipe kommt, dann ist er locker und gelassen, er ist ganz einfach einer von uns“, behauptet Josip.

Nur eins ärgert den Clubpräsidenten und ehemaligen Fußballtrainer Stanislav Stuburic: wenn Fußballfans und manche Sportjournalisten in Kroatien nach ein, zwei schwächeren Spielen die Qualitäten von Olic in Frage stellen. Dann heisse es, er könne nur hin und her laufen und kämpfen, aber mit dem Ball sei er nicht besonders befreundet. „Purer Unsinn“, schimpft Stuburic. „Wenn dem so wäre, hätte er dann jahrelang in einer der stärksten Ligen der Welt, der Bundesliga, solche Erfolge gehabt ?“ Es sei auch Olics Verdienst gewesen, dass Bayern das Champions-League-Finale 2010 erreicht habe, er sei der Kroate mit den meisten Auftritten in der Bundesliga, der beste kroatische Torschütze in der Bundesliga und in der Champions-League, zählt Stuburic in einem Atemzug nur einige Rekorde des bekanntesten Davorianers auf, wie er sagt. „Ausserdem hat er in zwölf Jahren über 100 Länderspiele für Kroatien bestritten – bei sechs verschiedenen Trainern. Wenn diese Zahlen nicht für sich sprechen…will jemand allen Ernstes behaupten, dass alle diese Spitzentrainer in europäischen Clubs und im kroatischen Nationalteam Dilettanten waren oder sind!?“ empört sich Stuburic. Und dann wird er philosophisch: „Das ist eben unsere kroatische Mentalität“, sagt er, „wir schätzen irgendwelche Ballkünstler und Nebelspalter mehr, die zwei drei Tricks im Spiel verkaufen und dann zwei Drittel des Spiels lang nur Zuschauer auf dem Platz sind“, ereifert er sich, „als Spieler, die 90 Minuten lang für das Team arbeiten.“ Die Deutschen seien da anders, so der Fußball-Manager, „sie schätzen harte Arbeit und die kontinuierlich erbrachte Leistung“. Es sei deshalb kein Wunder, dass Olic gerade in Deutschland am längsten spiele und mit einem Alter von 35 Jahren noch immer einer der Besten dort sei.

In der Kneipe „Davor“, in der Ortsmitte, wo ein Karton-Portrait von Ivica Olic in Lebensgröße dominiert, versammeln sich Fußballfans und Freunde des Kickers. Hier wird seit Jahren jedes Spiel, in dem Olic dabei ist, verfolgt – sofern man es über Satellit oder Internet-Livestream sehen kann. Ein ganz besonderer Leckerbissen waren die Europa-Cup-Spiele, als es der FC Bayern, auch dank Olic, bis zum Finale schaffte.

 

„Besonders emotional geladen sind natürlich die Spiele der kroatischen Nationalmannschaft“, sagt Alen Knezevic, dem die Kneipe „Davor“ gehört. Dann seien alle Kneipen im Ort voll, „die Stimmung ist da ganz anders, wenn man das Match in einer großen Gruppe verfolgt als alleine oder nur mit seiner Familie zu Hause“, sagt der Wirt. Auch er ist ein guter Freund von Ivica Olic, der ihm den offiziellen Fußball vom Europacup-Finale 2010 Bayern München gegen Inter Mailand mit den Unterschriften aller damaligen Bayern-Spieler geschenkt hat. Den Ball stellt er heute wie eine Reliquie in einem Glaskasten in seiner Kneipe aus. „Bei großen Spielen der Bundesliga, der europäischen Vereinswettbewerbe, der EM oder wie jetzt, WM, wo unser Ola – unser Ivica Olic – spielt, machen wir hier in der Kneipe Stimmung wie im Stadion“, begeistert sich Alen. So ist es auch bei der WM in Brasilien. Die Kneipe ist mit kroatischen Flaggen, Postern von Olic und anderen Nationalspielern geschmückt, Besucher bekommen T-Shirt oder Schal in kroatischen Farben, sowie Fähnchen und Pfeifen in die Hände gedrückt, und eine lokale Band heizt vor dem Spiel mit patriotischen Liedern und Fußball-Songs ein. „Wenn wir gewinnen und Ola gar ein Tor schießt, verwandelt sich die Kneipe in ein Irrenhaus, „, grinst Knezevic „aber auch wenn wir verlieren, wird das kein Weltuntergang sein, es wird nach wie vor getrunken und gesungen, und die Band spielt aufmunternde Lieder weiter, so sind wir Slawonier halt“.

Als ich Davor verlasse, schreit mir Josip noch nach: „Vergiss nicht zu schreiben, was unser Schlachtruf ist“ . Versprochen: Mit „Ole Ole Ola!“ begrüßen die Davor-Einwohner ihren berühmtesten Mitbürger – jedes Mal, wenn er auf den Fußball-Plätzen Brasiliens aufläuft, übertragen via Fernsehen nach Davor: Das Heimat-Dorf von Ivica Olic.

Präsentiert von Stjepan Milcic

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