Der Papst kommt zwar nur nach Tirana, aber auch Shkoder im Norden Albaniens hat sich für den Besuch des Pontifex herausgeputzt. Die Stadt ist die Hochburg der Katholiken in Albanien. Lazer Matija verkauft vor der Kathedrale Papst-T-Shirts. „I Love Pope Francis“ steht auf einem – mit dem Konterfei des Franziskus im Herzen, oder wahlweise mit dem albanischen Adler im Hintergrund. „Die gehen gut“, sagt der Albaner. An diesem Tag hat er schon 50 verkauft, erzählt er. „Die kaufen die Leute, die nach Tirana zum Papst fahren wollen – aber nicht nur Katholiken, auch andere“, sagt der Verkäufer. Einer ruft aus dem Hintergrund: „Die Religion der Albaner ist ihr Albanertum“.
Eine Reportage aus Shkoder von Stephan Ozsvath:

Etwa 150.000 Katholiken leben in Shkoder – aber im Stadtzentrum gibt es auch frisch-renovierte Moscheen neben alten Revolutionsdenkmälern und eine orthodoxe Kirche. Das Zusammenleben funktioniert gut.

Offenbar schweißt das geteilte Leid zusammen – 1967 hatte der kommunistische Herrscher Enver Hodxha Albanien zum einzigen atheistischen Staat der Welt erklärt. Moscheen und Kirchen wurden geschleift oder umfunktioniert, die Kathedrale von Shkoder wurde zur Turnhalle.

Und Religionsausübung war gefährlich. Allgegenwärtig war die Sigurimi – die albanische Staatssicherheit. Rentner Gjon Maras Brushtolli kann sich gut an die Zeit erinnern. Auch er saß damals mehrere Jahre im Gefängnis – weil er gegen die Zwangskollektivierung in der Landwirtschaft war. „Es gab viele Spione“, erzählt er. „Die kamen zu uns und fragten: Haben Sie an Weihnachten Kerzen angezündet ? So etwas wollten sie wissen, um uns ins Gefängnis zu bringen.“ Wer mit einem Rosenkranz erwischt wurde, konnte dafür erschossen werden. „Wir vollzogen die Rituale, aber heimlich“, sagt der 76-jährige und sucht auf einer Liste im Eingang der Kathedrale seinen Namen. Mit dem Bus will er nach Tirana mitfahren, sagt er. Den Papst erleben.

Ordensschwester Christine betreibt am Stadtrand von Shkoder einen kleinen Kindergarten. Und sie betreut schwer traumatisierte Jugendliche, aus Familien, die von Blutrache bedroht sind – meist Katholiken, die sich auf den Kanun berufen, das uralte Gewohnheitsrecht der Berge. Seit 15 Jahren ist sie bereits in Albanien. Die Wunden der Vergangenheit, der Zeit der Religionsverfolgung, sind nicht verheilt, sagt sie. Vor drei Jahren seien die Gebeine von Exekutierten auf einem Feld gefunden worden, „darunter auch der Cousin einer Mitarbeiterin“. Niemand habe sich um die Getöteten gekümmert, erzählt sie, „die Angehörigen mussten sie selbst ausbuddeln“. Unter Tränen hätten sich die Angehörigen bei ihr bedankt, „dass jemand dieses Unrecht sieht und die Toten im Nachhinein ehrt.“ Schwester Christine hatte ein paar Blumen dort abgelegt. Die Konterfeis von 40 albanischen Märtyrern zieren anlässlich des Papstbesuchs einen zentralen Boulevard in der Hauptstadt Tirana – laut sozialistischem Regierungschef Edi Rama sollen sie selig gesprochen werden. Bezogen auf die mangelnde Aufarbeitung der Verbrechen der Hodxha-Zeit kursiert allerdings derzeit ein zynischer Witz in Tirana: Die Kommunisten haben die Märtyrer erschossen, die Sozialisten hängen sie auf. Schwester Christine hofft, dass sich durch den Papstbesuch einige Wunden schließen können, und „die Botschaft der Versöhnung verstanden wird“.

