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3. Oktober 2014

Ungarn: Aller guten Dinge sind drei – die Flucht der Sobels in den Westen

Zu einer Zeitreise mit der Familie Sobel hat sich Stephan Ozsvath getroffen

Echtheitszertifikat eines Teiles des Stacheldrahts. Foto – BR|Stephan Ozsvath

Ungarn, in der Nähe von Sopron – vor 25 Jahren. Es ist der 19. August 1989. Walter Sobel, ein 26-jähriger Ostdeutscher aus Blankenburg im Harz, hat seine kleine Tochter auf dem Arm, sie fliehen in den Westen. Zusammen mit etwa 700 anderen Ostdeutschen nutzt er die Gelegenheit, um einfach nach Österreich zu laufen. „Dieses Gefühl war einfach unbeschreiblich“, sagt er heute. Die Szene ist in einem Film festgehalten, den der Hobbyfilmer György Karpati damals gedreht hat. „Ich war fast zufällig dort“, erzählt er. Auch ihm seien die Freudentränen über das Gesicht gelaufen, so Kárpáti, so bewegend war dieser Moment, der Geschichte geschrieben hat, auch für ihn.

Hunderte DDR-Bürger überqueren am 19.08.1989 die Grenze nach Österreich. Foto - picture-alliance/dpa
Hunderte DDR-Bürger überqueren am 19.08.1989 die Grenze nach Österreich. Foto – picture-alliance/dpa

Wie war die Flucht der Ostdeutschen möglich ? Ungarische und Österreicher Bürgerrechtler hatten ein „Paneuropäisches Picknick“ organisiert, direkt an der Grenze, am ehemaligen Eisernen Vorhang. Über Flugblätter hatten die Ostdeutschen davon erfahren. Auch Familie Sobel. Aber auch wenn die Ungarn schon Anfang Mai 1989 den Eisernen Vorhang abgebaut haben, bewacht wird die Grenze trotzdem noch, in Sopronpuszta von Arpad Bella und seinen Männern. “Wir wussten, dass DDR-Flüchtlinge kommen würden“, sagt der ehemalige Grenzsoldat. Er habe aber auch gewusst: Um sie aufzuhalten, würde er schießen müssen. „Das wollte ich vermeiden.“

Es ist Simone Sobel zu verdanken, dass die vierköpfige Familie – mit den zwei kleinen Kindern Sabrina und Indra – damals doch noch den Weg in den Westen schafft. Es ist der dritte Versuch. Zweimal schon hatten die Sobels die Flucht nach Jugoslawien versucht, zweimal sind sie gescheitert. Und eigentlich wollen sie schon aufgeben, zurück in den Harz fahren. „Doch dann nahm meine Frau das Zepter in die Hand“, erinnert sich Walter Sobel.

Sie kommen zu einem Camping-Platz, auf dem die Flugblätter kursieren. Die Flucht gelingt beim dritten Versuch. Doch die pure Freude darüber kann nur Walter Sobel empfinden, denn seine Eltern leben schon im Westen. Die Flucht hat der 26-Jährige ein Jahr lang geplant, wichtige Zeugnisse sind schon längst im Westen, bei den Eltern. Anders geht es Simone Sobel, damals 24 Jahre alt. „Ich war wie in Trance“, erzählt sie. „Ich ließ ja meine Familie zurück und die wusste nichts von unseren Plänen“. Doch die Trennung währt nicht lange. Wenige Monate später fällt auch in Berlin die Mauer.

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