„Die Stimmung war gut und die Menschen fröhlich, obwohl sie nicht wussten, wie es weitergeht“, erinnerte sich Csaba Bartos an die dramatischen Tage im September 1989. Vor 26 Jahren war Ungarn voller Flüchtlinge. Tausende DDR- Bürger haben sich damals entschieden, vom Urlaub nicht nach Hause zu fahren, sondern in Ungarn zu bleiben. Das Ziel: Flucht in die BRD.
Der 59 jährige Csaba Bartos arbeitete damals im Pionierlager „Zanka“ am Ufer des Balatons: „Es kamen Familien und viele junge Leute. Wir haben sie in unseren Unterkünften aufgenommen und ihnen zu Essen gegeben. Das war keine große Aufgabe für uns, denn im Pioniercamp kümmerten wir uns ansonsten täglich um über 3.000 Jugendliche“. Alles lief problemlos und schnell, denn damals bestand auch der politische Wille, die Krise schnell und effektiv zu lösen. Zivile Helfer, wie Csaba Bartos, haben rund um die Uhr den deutschen Flüchtlingen geholfen.
„Zanka“ wurde zu einem Begriff in Ungarn. Es gab tausende Menschen, vor allem Familien mit Kindern, die nach Westen wollten, statt zurück in die DDR zu fahren. „Wir waren überrascht von der große Zahl der Flüchtlingen“, erzählt der Botschafter der BRD in Ungarn Heinz – Peter Behr. Er leitete damals das Wirtschaftsreferat und war für die DDR- Flüchtlinge an der Botschaft verantwortlich. „In der Botschaft waren auch mehrere Menschen – etwa 200. Es war nicht einfach, weil wir nur zwei Duschen und drei oder vier Toiletten gehabt haben“, erinnerte sich der Diplomat. Dabei betont er, dass die gerade die Unterstützung durch freiwillige Helfer sehr groß war. Aber auch die ungarische Regierung erfüllte ihre Aufgabe. „Die Politiker waren sehr hilfsbereit. Es war nahezu merkwürdig, dass die ungarischen Sicherheitsbehörden auch nie versucht hatten, die DDR- Bürger aufzuhalten, als sie ins Botschaft kommen wollten – obwohl einige über den Zaun geklettert sind“, erinnert sich der Botschafter.
Zanka, ein 800 Seelen Dorf war voller DDR-Touristen, die dann zu Flüchtlingen wurden. „Wir haben 7 oder 8 Familien bei uns gehabt“, erinnert sich der Bürgermeister des Dorfes. Miklos Filep und Familie beschäftigte sich damals mit Zimmervermietung. „Ende August spürten wir, dass etwas passieren muss, dass es nicht so weitergehen kann. Und dann kam die Meldung, dass Ungarn die Grenze nach Österreich öffnen wird. Alles passierte sehr rasch. Nach Zànka kamen hunderte Busse. Die DDR- Flüchtlinge haben fast alles stehen und liegen gelassen, als sie rüber nach Österreich flohen. Im ganzen Dorf lagen viele Koffer rum, Kleider, Campingausrüstung, sogar Trabants, Wartburgs und MZ Motorräder. Unsere Automechaniker haben sie später aufgesammelt und noch gut verwenden können“, erzählt der Bürgermeister.
Nach 26 Jahren gibt es heute wieder eine Flüchtlingskrise, die auch Ungarn betrifft – es sind Menschen aus Syrien und anderen Kriegsgebieten. Wie damals ist Ungarn auch heute nur ein Transitland für die Flüchtlinge auf dem Weg nach Deutschland. Doch diesmal öffnet Ungarn nicht seine Grenzen, sondern sichert sie vor den Flüchtlingen mit Militär und Stacheldraht.

„Die große Anzahl der Flüchtlinge bedeutet eine große Herausforderung für die staatlichen Stellen in allen Ländern. Deswegen brauchen wir die Hilfe der Zivilgesellschaft“, betont der deutsche Botschafter Heinz – Peter Behr diplomatisch. Die heutige Lage und wie die ungarische Regierung die Krise behandelt, will er dahingegen nicht kommentieren. Der ehemalige Helfer Csaba Bartos denkt, dass die heutige Situation ganz anders ist, als in 1989. „Die DDR-Bürger kamen nach Ungarn, um Urlaub zu machen. Hier hat sie dann die Information ereilt, dass sie wahrscheinlich die Grenze in den Westen passieren können. Sie wollten nicht ihre Heimat wechseln, denn Deutschland ist Deutschland, ob Ost oder West. Die Lage ist jetzt ganz anders. Die DDR-Bürger flohen nicht vor einem Krieg nach Ungarn so wie die Flüchtlinge jetzt“, erklärt Bartos.
Die ehemaligen Helfer betonen immer wieder, dass damals überall Euphorie herrschte. Die Wende lag in der Luft. Obwohl die politische Lösung gefallen war, hätte man es ohne die vielen freiwilligen Helfer nicht nicht schaffen können. Die deutsche Botschaft hat jetzt in Zanka eine Gedenktafel enthüllt, zum Zeichen des Dankes an all die Ungarn, die damals den DDR-Flüchtlingen geholfen haben.
Mitarbeit: Attila Poth




