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Gevgelija gilt als Spielerparadies in der Region. Besonders viele Gäste kommen aus Griechenland und der Türkei. Bild: BR

Flüchtlinge und Zockerei
Die verkehrte Welt von Gevgelija

Gevgelija – der Name der Stadt an der griechisch- mazedonischen Grenze ist fast schon zu einem Symbol für die andauernde Flüchtlingskrise geworden. Menschen, die den Grenzposten passieren; Polizei, die sogenannte illegale Migranten abschiebt; Soldaten, die den inzwischen kilometerlangen Stacheldrahtzaun immer weiter ausbauen – das sind die Bilder dieses Ortes, die um die Welt gehen.

Gleich hinter dem Stacheldraht aber tut sich eine Welt auf, die in geradezu groteskem Gegensatz zu den Ereignissen an der Grenze zu stehen scheint: Hell glitzern die Lichter zahlreicher Casinos – im „Las Vegas des Balkan“, wie Gevgelija auch genannt wird.

Viele Gespräche mit Einheimischen und Security-Leuten in den Casinos über zwei Tage hinweg – dann habe ich endlich die Erlaubnis, wenigstens im Eingangsbereich einer der Spielpaläste zu drehen. Ein Interview mit den Geschäftsinhabern vor der Kamera aber bleibt unmöglich.

Wie in sich geschlossene Universen wirken die gigantisch anmutenden Anlagen. Nichts von der rauen Welt draußen soll hier die Kundschaft stören. Wer hier oft spielt, bekommt alle Annehmlichkeiten gestellt: Essen, Trinken, Aufenthalt im angegliederten Fünfsterne-Hotel.

Die Zahnärzte sind neben den Casinobetreibern die weiteren Großverdiener von Gevgelija. Die Finanzkrise Griechenlands treibt die Kundschaft aus dem Nachbarland in die mazedonischen Behandlungszimmer. Die meisten Ärzte betreiben inzwischen große, moderne Kliniken, die sich in Gevgelija geradezu aneinanderreihen. Das Instrumentarium kommt größtenteils aus Deutschland und der Schweiz, so behaupten es die Ärzte zumindest. Und die Behandlungen sind wesentlich günstiger als im krisengebeutelten Nachbarland.

In einer Kneipe am Markt treffen sich einmal im Monat ein paar junge Leute zur gemeinsamen Jam-Session. Länger als bis 23:00 ist hier nichts los, erzählen sie. Da müssen alle aufbrechen, zur Arbeit im Casino. Der Kneipenbesitzer ist selber Musiker. Die jungen Leute haben kein Leben hier, sagt er. Sie verschwenden ihre besten Jahre in den Spielhöllen, weil die Casinos die mit Abstand lukrativsten Arbeitgeber sind.

Doch Gevgelija ist auch einfach eine kleine, gemütliche Stadt. Eine, in der die Leute im Café sitzen, die Jugendlichen shoppen gehen, die Bauern auf dem Markt Gemüse verkaufen und wenn jemand Hochzeit feiert, dann wird kräftig getanzt. Eigentlich wirkt alles ganz alltäglich. Dass sich an der nahen Grenze aber ebenso täglich ein außergewöhnliches Flüchtlingsdrama abspielt, dass hunderte Menschen aus Griechenland ankommen, dass sie notversorgt werden, um einige Stunden später mit Zügen an die serbische Grenze gebracht zu werden – das wirkt hier in der Innenstadt schon wieder seltsam weit entfernt.

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Beitrag: Tamara Link

Kamera: Dejan Acevski, Tamara Link

Schnitt: Roland Buzzi

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