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Tag der offenen Kirche
Karlskirche - Die Patronatskirche des Kaisers
Auf den ersten Blick sieht es tatsächlich aus wie auf einer aktiven Baustelle, auch auf den zweiten. Wie es eben aussieht, wenn man dabei ist, das Innere von Kirchen Schritt für Schritt zu restaurieren. So auch hier im bedeutendsten barocken Sakralbau der Donaustadt, in der Wiener Karlskirche. Zwei massive Stahlgerüste streben links und rechts des prunkvoll gehaltenen Hauptschiffes gen Kirchenhimmel; eine stilistisch nicht gerade stimmige Ästhetik, die auf einen vorübergehenden Zustand schließen lässt. Doch das ist hier eben nicht der Fall: die Restaurierung ist längst abgeschlossen, das Gerüst bleibt aber trotzdem, vorerst jedenfalls. Seit man entdeckt hat, dass sich nicht nur Kunsthistoriker, sondern mehr noch kunstinteressierte Touristen speziell für die aufwändig restaurieren Deckenfresken interessieren, hat man die ganze Konstruktion publikumstauglich ausgebaut und so zur Touristenattraktion umgewandelt. Gegen ein Salär von 8 Euro darf man die Kirche also nicht nur betreten, sondern auch bequem mit einem geräumigen Baustellenlift bis in 32 Meter Höhe fahren. Oben angekommen findet man sich zunächst auf einer breiten Holzplattform wieder, von der aus man zu Fuß über eine sich stetig verengende Treppe weiter bis in die oberste Kuppel steigen kann. So kommt man mit jedem Schritt den sehr beeindruckenden Kuppelfresken, geschaffen von Johann Michael Rottmayr (1654-1730) nahe. Was vor allem fasziniert ist die große Detailtreue, die der Kirchenmaler und seine Assistenten den Motiven – trotz der großen Höhe – angedeihen haben lassen. Denn vieles von dem, was da so akribisch bis in feine Nuancen ausgearbeitet wurde, ist für den Betrachter, der sich normalerweise ja weit über 30 Meter tiefer auf dem Kirchenboden befindet, so gut wie nicht mehr erkennbar. An dieser Stelle beginnt man, versöhnlicher über das Baugerüst zu denken, vor allem, wenn man es jetzt noch bis zur Spitze in die oberste Kuppel, die sogenannte Laterne in 72 Meter Höhe schaffen möchte. Dass man sich auf dem Weg dahin schon längst in himmlischen Höhen befindet, merkt man auch an den Fresken, denn man wird sozusagen geleitet von kleinen Engeln, die einen am Ende – und dann mit respektvollem Abstand – auf das zuoberst gemalte Motiv verweisen – eine weiße fliegende Taube als Darstellung des Heiligen Geistes. Spätestens jetzt ist man versöhnt mit der nach wie vor provisorisch anmutenden Treppenkonstruktion; entpuppt sie sich doch im Nachhinein als eine Art Himmelsleiter, die es ermöglicht, die ausgefeilte künstlerische Dramaturgie der Kuppelfresken, die biblische Themen ebenso wie historische kirchengeschichtlichen Ereignisse in Szene setzen, wie in einer fortlaufenden Erzählung zu erleben. Als zusätzliche Belohnung wartet ganz oben in der „Himmels-Laterne“ dann auch noch ein spektakulärer Rundumblick auf die Stadt Wien – ebenso wie die Erkenntnis, dass Touristen-Graffities offensichtlich auch im Himmel unvermeidlich sind.