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Parlament Kosovo. Bild: dpa/picture alliance

Eine hausgemachte Seifenoper bewegt die Nation
Die Tränengas-Schlacht im Kosovo Parlament

Die Geschichte des Kosovo ist voller Legenden über berühmte Schlachten, in denen Mut und Tapferkeit der Kosovaren gepriesen werden. Aber die letzte dieser Schlachten – um das Tränengas in den Parlamentssitzungen – ist zu einer tragikomischen Seifenoper geworden.

Normalerweise gehören morgendliche TV-Übertragungen von Parlamentssitzungen, in denen Abgeordnete leidenschaftslos über die Verwendung von Pflanzensamen und Ähnlichem debattieren, nicht gerade zu den Blockbustern der kosovarischen Fernsehgeschichte.

Aber im Kosovo sind seit September vergangenen Jahres die Sitzungen des Parlaments ähnlich beliebt wie die US-amerikanische Serie „House of Cards“ – und ebenso vorhersehbar ist ihr Ablauf: ein Ziel und viele mysteriöse Handlungsabläufe. Der Zuschauer weiß, dass die oppositionellen Parlamentarier jedes Mal auf ein Neues Tränengas in den Sitzungsraum werfen werden, im verzweifelten Versuch, ihrer ständigen Forderung nach Neuwahlen Gehör zu verschaffen. Doch jede Folge zeichnet sich durch spannende neue Details und immer wieder überraschende Wendungen aus.

Immer wieder stellen sich die Kosovaren die Frage, wie viele Sicherheitsbeamte wohl diesmal nötig sein werden, um den beleibten Abgeordneten der nationalistischen Vetevendosje-Partei Fisnik Ismajli – einen der Protagonisten dieser Seifenoper – aus dem Saal zu entfernen.

Voller Spannung wird auch vor den Fernsehbildschirmen verfolgt, welche Schnapssorte der ehemalige UCK-Kommandeur und 100-Tage Premier Ramush Haradinaj den männlichen Parlamentarierkollegen anbieten wird.

Und immer wieder gelingt das erwartete Finale: Das Tränengas erfasst den ganzen Saal, und alle Protagonisten sowie Nebendarsteller sind zu Tränen gerührt. Auch vor den Bildschirmen wird dann zu den Taschentüchern gegriffen – manche erfasst tiefe Trauer, anderen schießen vor lauter Lachen die Tränen ins Gesicht.

Zur Lachnummer der ganzen Nation sind die Sicherheitskräfte des Parlaments geworden, die es ein ums andere Mal nicht verhindern können, dass zwielichtige Protagonisten das Tränengas hineinschmuggeln. Allerdings haben sie es auch mit äußerst kreativen und schamlosen Tätern zu tun. Die Vetevendosje-Abgeordnete Albulena Haxhiu hat das Tränengas versucht „zwischen den Beinen“ zu verstecken, was allerdings bei einer Röntgen-Kontrolle aufflog.

Andere nutzten das „Tränengas-Szenario“ für populistische Verbal-Ausbrüche: etwa Albin Kurti, als er den Tränengas-Angriff auf Regierungsmitglieder verteidigte, denn schließlich seien ihre paar Tränen nichts im Vergleich zu dem Strom der Tränen, den die Bürger Kosovos angesichts von Leid und Armut vergießen.

Die Bilanz dieser kosovarischen Seifenoper ist beeindruckend:

9 Parlamentssitzungen wurden unterbrochen. 10 Parlamentsabgeordnete wurden von der Polizei verhört, Aufwiegler Albin Kurti zu Hausarrest verurteilt

Und besonders stolz kann man darauf sein, dass zum ersten Mal eine komplett eigene Hausproduktion gelungen ist. Die Serben im kosovarischen Parlament, der ewige Counterpart in solchen kosovarischen Volkspossen, gingen dieses Mal  leer aus. Sie bekamen nicht mal eine Nebenrolle und dienten höchstens als Stichwortgeber.

Doch zum Betrüben des Publikums scheint die so erfolgreiche TV-Seifenoper vergangene Woche ein jähes Ende gefunden zu haben.

Die Opposition, der die tragende Rolle des Bösen oblag, ist einfach nicht zur Parlamentssitzung erschienen. Die Regierung – der vermeintlich Gute in diesem Stück – hatte kurz zuvor beschlossen, für 270.000 Euro einen Sicherheits-Scanner anzuschaffen, dem nichts mehr verborgen bleibt.

Jede Show geht einmal zu Ende. Aber genau so sicher ist, dass auf jede beendete TV-Serie eine neue folgt!

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