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6. Dezember 2014

Montenegro: Anti-Russische-Plakate

Unter anderem die serbischen Tageszeitungen Politika (links) mit der Überschrift "Antirussische Werbeplakate in Montenegro", und die Vercernje Novosti "Werbeplakate gegen den "Stiefel aus Russland" berichteten von der Aktion. Foto - BR|Dejan Stefanovic
Unter anderem die serbischen Tageszeitungen Politika (links) mit der Überschrift „Antirussische Werbeplakate in Montenegro“, und die Vercernje Novosti „Werbeplakate gegen den „Stiefel aus Russland“ berichteten von der Aktion. Foto – BR|Dejan Stefanovic

Die Bewohner von Podgorica rieben sich in diesen Tagen die Augen: Überall in der Hauptstadt Podgorica hingen russenfeindliche Plakate. „Besser eine Banane in der Hand, als ein russischer Stiefel im Nacken“, lautete eine der ironischen Botschaften. Auf einem anderen Plakat wurden unter dem offiziellen NATO-Symbol gescheiterte russische Investitionen aufgezählt. Zitiert wurde auch ein ehemaliger montenegrinischer Partisanenkämpfer, Milovan Djilas. Er war Titos engster Mitarbeiter und späterer Dissident und hatte einst gesagt: Die Russen seien nie Freunde der Montenegriner gewesen, sie hätten das Adriavolk immer nur als billiges „Feilschobjekt“ missbraucht. Die Anspielung „Banane in der Hand“ haben die Hauptstädter zügig entschlüsselt. Der russische Botschafter in Serbien, Alexander Chepurin, hatte vor einem Jahr den geplanten NATO-Beitritt Montenegros als „affenartige Politik“ bezeichnet. Die Regierung in Podgorica protestierte damals lautstark.
Wer die Plakate in Auftrag gegeben hat, weiß nur die Werbeagentur, die die Kampagne gestaltet hat. Aber die schweigt eisern. So rätseln die Montenegriner bis heute, wer sich hinter dem mysteriösen Namenszug „Montenegrinische Patrioten“ verbirgt. Aber egal, wer es war: Sie haben Aufsehen erregt. In Serbien haben mehrere Tageszeitungen von der Aktion berichtet. Russenkritiker sagen, die Plakate treffen ins Schwarze. Russenfreunde empfinden sie als „Beleidigung“. Die russische Botschaft in Podgorica protestierte. Das montenegrinische Außenministerium verurteilte die anonyme Aktion. Russland sei ein Freund und Partner des montenegrinischen Volkes. Pro-Nato-Kräfte in und außerhalb der Regierung verurteilten den Missbrauch des Nato-Logos. Das verschwand daraufhin von den Plakaten.
Warum sind die Montenegriner so zwiespältig in ihrem Verhältnis zu den Russen ? Nach der Unabhängigkeit 2006 haben russische Privatunternehmer mehrere Milliarden Euro vor allem an der Adriaküste in Immobilien investiert. Viele arme Familien wurden über Nacht wohlhabend, indem sie für teures Geld ein vererbtes, altes und unbewohnbares Steinhaus oder felsiges Stück Land, das niemand haben wollte, kauf- und bau-süchtigen Russen verkauften. Russische Unternehmen kauften auch marode Staatsbetriebe auf und zahlungskräftige russische Touristen stellen die größte Touristengruppe in Montenegro. Am Verkauf von Staatsbetrieben, Hotels oder attraktiven Baugrundstücken an russische Unternehmen sollen sich der umstrittene Langzeit-Premier Milo Djukanovic und seine Getreuen bereichert haben, heißt es. Insofern könnte sich die Plakat-Aktion auch gegen ihn richten, wird in Podgorica gemunkelt.
Vorbehalte haben die Montenegriner auch gegenüber einem Nato-Beitritt. Trotz intensiver Regierungskampagnen ist nur einer von drei Montenegrinern dafür, dem Verteidigungsbündnis beizutreten. Während immerhin zwei von drei einen möglichst schnellen EU-Beitritt des Kandidaten Montenegro wollen.
Mittlerweile sind die Anti-Russen-Plakate übrigens aus Podgorica wieder verschwunden – so geheimnisvoll wie die „Montenegrinischen Patrioten“ aus dem Nichts auftauchten, so schnell sind sie auch wieder weg. Doch eins haben sie sicher erreicht: eine intensive Debatte.

Mitarbeit: Dejan Stefanovic

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