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3. Januar 2015

Berliner Erstklässler helfen Mathilda – dem Mädchen von der albanischen Müllkippe

Mathilda ist 7 Jahre alt. Sie geht in die erste Klasse einer Grundschule in der albanischen Hauptstadt Tirana. In ihr Schulheft hat sie von der Lehrerin ein Sternchen für Schönschreiben bekommen. Also ein „sehr gut“. Sie hat uns das stolz in die Kamera gezeigt. In ihrem Zuhause. Einem Zimmerchen aus Plastikplanen und Pappkarton, in dem es erbärmlich stinkt. Denn Mathilda lebt mit ihren Eltern und Geschwistern in einem Slum mitten auf der Müllkippe von Tirana.
Wir haben darüber auf unserem Blog und in der NDR-Sendung „Weltbilder“ berichtet.
Der Brief, der uns anschließend erreichte, war der Beginn einer ganz besonders berührenden Hilfsaktion.

Die Lehrerin Gabriela Schwenke von der Richard-Wagner-Schule in Berlin Karlshorst fragte, ob es eine Möglichkeit gibt, Mathilda zu helfen. Sie hatte unseren Film in der Klasse 1b gezeigt, um die 8 Mädchen und 12 Jungen emotional auf das Thema Armut vorzubereiten. „Ich habe noch niemals zuvor eine so große Stille in einer Klasse erlebt, wie nach diesem 6-minütigen Film“, schreibt Gabriela Schwenke in ihrem Brief an uns. „Jedem einzelnen Kind meiner Klasse ist das Schicksal von Mathilda sehr, sehr nahe gegangen. Leider musste ich den Kindern auch sagen, dass wir Mathilda sicher nicht direkt helfen können, da es dort, wo sie lebt, bestimmt keine richtige Adresse gibt.“
Trotzdem hat Gabriela Schwenke uns geschrieben und gefragt, ob es nicht vielleicht doch die Möglichkeit gibt, Mathilda ein Hilfspaket und etwas Geld zu schicken.
Ja, die Möglichkeit gab es!

Mathilda mit ihrem Bruder und unserem ARD-Mitarbeiter Astrit Ibro, der die Geschenke überreicht hat.
Mathilda mit ihrem Bruder und unserem ARD-Mitarbeiter Astrit Ibro, der die Geschenke überreicht hat. – Foto: BR | Astrit Ibro

Dank unseres Mitarbeiters Astrit Ibro in Tirana. Er war es auch, der uns auf das Thema für diesen Film aufmerksam gemacht hatte, weil er die Lebensbedingungen der Menschen dort unerträglich findet. Astrit erklärte sich sofort bereit, ein Hilfspaket entgegenzunehmen und persönlich bei Mathilda und ihrer Familie vorbeizubringen.
„Als ich der Klasse dann sagen konnte“, so Gabriela Schwenke, „dass wir einen Kontakt zu Mathilda herstellen können, war die Begeisterung groß. Ich habe fleißig mitgeschrieben, was wir für Mathilda einpacken könnten“. Schließlich packte die Klasse Schulutensilien und Spielsachen in ein großes Paket. Außerdem etwas Geld, mit dem sich Mathildas Familie vor Ort selbst Lebensmittel und Medikamente kaufen kann. Dazu legten die Berliner Jungen und Mädchen einen Brief an Mathilda, den Astrit Ibro ins Albanische übersetzte und Fotos von ihrer Klasse.

Astrit war wie wir alle sehr beeindruckt von dieser Hilfsaktion. Er erzählte auch Kollegen vom albanischen Fernsehen davon. Als das Paket dann in Tirana ankam, fuhr er damit sofort zur Müllkippe. Die Kollegen vom albanischen Fernsehen begleiteten ihn, um über die Hilfsaktion der deutschen Schulklasse zu berichten.
Als Astrit mit dem Kamerateam – selbstverständlich ohne Vorankündigung, denn dies ist dort ja nicht möglich – im Slum ankam, war Mathilda alleine mit ihrer Großmutter in der Baracke. „Barfuss trotz der Kälte“, erzählt Astrit. „Ich habe ihr gesagt, sie soll sich warme Schuhe anziehen. Und ihren Vater holen.“ Ihre Eltern und Geschwister waren „bei der Arbeit“ im Müll. Mathilda ist dann ganz aufgeregt dorthin gerannt und hat ihren Vater geholt. Er hat das Paket aus Astrits Auto in ihr Zuhause getragen.

Mathilda war fassungslos. Dieses Riesenpaket und die vielen Geschenke – so etwas hatte sie noch nie erlebt. Mit absolutem Ernst, als Zeichen wie sehr sie diese Geste würdigt, hat sie all die Geschenke ausgepackt. Sie hat stolz der Reporterin vom albanischen Fernsehen den Brief der Klasse vorgelesen und die Fotos ihrer „neuen deutschen Freundinnen und Freunde“ gezeigt. Den Brief mit den Fotos hat sie anschließend gar nicht mehr aus der Hand gegeben. Als Dank an alle hat sie einen Handkuss in die Kamera gemacht.
Die Tatsache, dass nun auch das albanische Fernsehen über das Schicksal der Menschen auf der Müllkippe von Tirana und über die berührende Hilfsaktion der Berliner Erstklässler berichtet, wird hoffentlich dazu führen, dass dieses Problem endlich auch in Politik und Gesellschaft thematisiert wird.

Wir danken der Lehrerin Gabriela Schwenke, ihren Schülerinnen und Schülern und deren Eltern von ganzem Herzen für dieses große Engagement.

Diesen Brief schrieben die Kinder der 1b an Mathilda:

Liebe Mathilda,
du wirst Dich sicherlich wundern, warum du heute Post von ganz weit weg bekommst. Wir, das ist die Klasse 1b aus Berlin in Deutschland. Mit dem Flugzeug sind das ungefähr 4 Stunden oder 2000 Kilometer. Wir haben uns das auf einer Karte angeschaut.
Vielleicht erinnerst Du Dich an die Leute vom Film, die bei Euch waren? Dieser Film wurde bei uns im Fernsehen gezeigt und unsere Lehrerin hat ihn gesehen und dann haben wir uns ihn in der Schule angeschaut.
Wir wissen, dass es nicht allen Kindern auf der Welt so gut geht, wie den allermeisten Kindern hier bei uns. In dem Film konnten wir sehen, dass auch du kein so schönes Zuhause hast. Gefreut haben wir uns, dass du zur Schule gehst und auch so tolle Zensuren für das Schreiben bekommen hast. Bei uns gibt es noch keine Zensuren, das kommt erst später. Trotzdem geben wir uns ganz viel Mühe, weil wir wissen, wie wichtig Lesen, Schreiben und Rechnen für das ganze Leben ist.
Mit dem Paket wollen wir Dir und Deinen Brüdern eine kleine Weihnachtsfreude bereiten. Wir hoffen, Du freust Dich und wir hören einmal von Dir.

Es grüßen Dich…von der 1b

Kommentare (1)

Katsu MITANI am

Sehr geehrte Frau Glass,
die Welt ist voll von unverifizierbanren Informationswolken, um so mehr bin ich froh und dankbar, dass ich auf Ihren Beitrag stieß und die Freude von Mathilda mitbekommen konnte. Denn diese Story stiftet die Hoffnung für die Zukunft.
Ihre Berichterstattung erinnerte mich, dass ähnliche kleine Menschlichkeiten jetzt überall in der ganzen Welt abspielen müssten(zumindest statistisch), wovon wir keine Kenntnisse haben.
Dafür danke ich Ihnen aus Wien, wo man tatsächlich Betroffene div. Ereignisse treffen und eigene Meinung revidieren kann.

Schöne Grüße, KM

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