Kommentar von Karla Engelhard zum Merkel-besuch in Budapest

Klartext spricht die deutsche Kanzlerin Angela Merkel selten, jedenfalls nicht öffentlich. Das ist nicht ihre Sache. Weder daheim, noch im Ausland. In Ungarn, bei ihrem Parteifreund Viktor Orban, der wie sie in der Europäischen Volkspartei sitzt, fällt ihre Kritik an dessen versuchter „illiberaler Demokratie“ aber erstaunlich klar aus, so klar Angela Merkel eben sein kann. Zitat:
„Ich habe darauf hingewiesen, dass, auch wenn man eine sehr breite Mehrheit hat wie der ungarische Ministerpräsident, es sehr wichtig ist, in einer Demokratie die Rolle der Opposition, die Rolle der Zivilgesellschaft, die Rolle der Medien zu schätzen.“
Ok, Klartext hört sich anders an. Aber das klingt wenigsten nicht nach „Orban ist ein lupenreiner Demokrat“, wie ihr Vorgänger Gerhard Schröder einen anderen „illiberalen Demokraten“, seinen Freund Wladimir Putin, vor Kritik aus dem In- und Ausland in Schutz nahm. Orbans Vision von einer illiberalen Demokratie ist im Geiste nur ein billiges Plagiat der „gelenkten Demokratie“ aus dem Hause Putin. Demokratie und illiberal gehören nicht zusammen, denn Demokratie sei immer liberal, stellte Merkel in Budapest klar. Doch kurz nach Merkel kommt der Russe zum Staatsbesuch nach Budapest, und der hat großes mit dem kleinen Ungarn vor. Es geht um milliardenschwere Energiegeschäfte, um strategische Partnerschaft im eurasischen Raum, kurz darum das EU-Mitglied Ungarn einzubinden.
Das ist auch der Grund, warum Merkel überraschend einen Blitzbesuch nach Budapest einschob. Die deutsche Bundeskanzlerin will verhindern, dass Orban die Einigkeit der Europäischen Union untergräbt und zum Spaltpilz Moskaus wird. Merkel hat Orban öffentlich die Leviten gelesen. Aber Viktor Orban dürfte das wenig bewegen. Er ist der Mann, der als ungarischer Premier, wie seine großen illiberalen Vorbilder, der russische Präsidenten Wladimir Putin und dessen türkischer Amtskollegen Erdogan, seine undemokratischen Ideen umsetzten kann – dank seiner satten Zweidrittelmehrheit und deren gesetzesverändernden Kraft. Viktor Orban und seine rechtpopulistische Fidesz-Partei halten derzeit weder die ungarnweiten Demonstrationen, noch sinkende Sympathiewerte auf. Die Oppositionellen in Ungarn sind noch immer eine bunt zusammengewürfelte Truppe. Einer ernsthaften Opposition fehlt Gesicht und Programm: Orban weg! oder: Merkel hilf! ist zu wenig.
Demokratische Umwälzungen in Ungarn werden viel Zeit brauchen, doch die ist knapp. Bundeskanzlerin Merkel wirkt da als Katalysator, im eigenen Interesse. Denn Europa droht ökonomisch und politisch zu kollabieren. Die mächtigste Frau Europas, unsere Bundeskanzlerin, hat deswegen endlich Klartext gesprochen. Orbans „illiberale Demokratie“ hat nichts, aber auch gar nichts, mit Europas Ideal einer offenen liberalen Gesellschaft gemein. Das ist klar.