Kommentar von Karla Engelhard
Serbien und Kroatien haben eine neue Chance zur Versöhnung bekommen. Beide beschuldigten sich gegenseitig, einen Völkermord begangen zu haben, beide wollten dem anderen den Stempel „Täter“ aufdrücken, um selbst die Opferrolle spielen zu können.
Ihre Klagen reichten sie vor Jahren ein, heute hätten sie wohl darauf verzichtet. Denn heute stellen die Nationalisten von einst in Serbien die Regierung und wollen in die Europäische Union. Wie die Kroaten, die einstigen Sieger im Kampf um ihre Unabhängigkeit haben es mittlerweile in die EU geschafft und geben sich, auf Regierungsebene, vorwärtsgewandt und liberal. Das internationale Kriegsverbrechertribunal rang lange um eine Entscheidung und am Ende steht ein gutes Urteil. Die gegenseitigen Genozid-Vorwürfe der Regierenden sind durch einen internationalen Richterspruch vom Tisch, nun ist Platz für einen Neuanfang und vielleicht sogar für ein gemeinsames Aufarbeiten der Geschichte. Fast 20 Jahre nach dem Bürgerkrieg auf dem Balkan wird es dafür auch höchste Zeit.
Kein geplanter Völkermord, heißt nicht automatisch, dass keine Kriegsverbrechen begangen wurden. Kriegsverbrecher haben jedoch Namen, serbische, wie kroatische. Sie werden für konkrete Taten vor internationale und mittlerweile nationale Gerichte gestellt. Eine ganze Nation anzuklagen, bringt keine Gerechtigkeit, das wissen wir Deutsche spätestens seit den Nürnberger Prozessen. Das deutsche Volk bekam damals seine Chance für einen Neuanfang.
Im Bürgerkrieg in den 1990er Jahren standen sich auf dem Balkan Kroaten und Serben unversöhnlich gegenüber. Ihre Toten, Verstümmelten und Vergewaltigten gegeneinander aufzurechnen säht nur neuen, nationalen Hass.
Beide Seiten können nun mit den Urteilen von Den Haag gut leben. Sie zu akzeptieren fällt ihnen nicht allzu schwer. Auch wenn die Urteile in den serbischen wie kroatischen Medien ganz anders gedeutet werden. Jeder pflegt wieder seine Wahrheit. Doch Nationalisten, ob in den Medien oder in der Politik, bekommen durch das ausgewogene Urteil aus Den Haag keinen Aufwind. Das ist wichtig.
Denn die Aufarbeitung der Vergangenheit ist weder in Serbien, noch im EU-Mitgliedsland Kroatien wirklich vorangekommen, weder wissenschaftlich noch psychologisch. Die zum großen Teil traumatisierten Opfer auf beiden Seiten möchten das Vergangene endlich überwinden, sie möchten vergeben können. Vergessen!? Nie!
Die Opfer wollen keine Rache, sondern Gerechtigkeit und Versöhnung.

