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25. März 2015

Albanien – die langen Schatten der Vergangenheit

„Wir trugen Kleidung, die schon lange nicht mehr gewaschen und von vielen getragen worden war“, erzählt der 63-jährige Visar Zhiti über seine siebenjährige Haft in einem Arbeitslager in den Bergen Nordalbaniens. Er musste dort Erz abbauen. „Pro Tag einen LKW mit Anhänger, das war die Norm“, sagt der ehemalige Lehrer. Sein „Vergehen“: Er hatte Gedichte geschrieben.

https://soundcloud.com/ard_studio_wien/schatten-der-vergangenheit-in-albanien-autor-stephan-ozsvath

Mehr als 120.000 Albaner verschwanden während der stalinistischen Diktatur von Enver Hoxha in solchen Arbeitslagern, zum Teil jahrzehntelang. Etwa 6.000 Oppositionelle ließ der Diktator liquidieren. Ein dunkles Kapitel der albanischen Geschichte, das bis heute nicht aufgearbeitet ist. Denn zehntausende Akten wurden vernichtet. Bis heute ist nicht klar, wer für die gefürchtete Sigurimi arbeitete, die albanische Staatssicherheit. Viele Spitzel rekrutierte die Sigurimi auch in den Arbeitslagern.

Nach der politischen Wende in Albanien blieben sie unentdeckt, konnten unbehelligt Karriere machen. „Unsere Chefs gehören der Nomenklatura an“, sagt Visar Zhiti. „Uns geht es heute besser, aber unseren Verfolgern auch“.

Bisher sind alle Versuche, die Akten zu öffnen, gescheitert. Die sozialistische Regierung von Premier Rama wagt nun einen neuen Anfang. Opfer sollen Akteneinsicht bekommen. Andere beklagen, dass die Lustration fehle, die Säuberung in den öffentlichen Ämtern. Sie wollen beides.

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