Auf Entdeckungsreise zu den interessantesten Pisten in Ex-Jugoslawien.
Tagebuch von ARD Korrespondentin Susanne Glass – momentan auf Dreharbeiten für die ARD-Weltreisen.
Tag 6: Vogel in Slowenien
Als Gott den Menschen ihr Land zuteilte, fragte er: Wer
bevorzugt das Wasser, wer die Berge? Wer mag es eher kühl, wer
liebt es heiß? Und entsprechend schenkte er ihnen die Küsten und
Inseln, die Berge und Almen. Den Norden und den Süden.
Ganz am Ende bemerkte er aber, dass ein kleines Grüppchen
Menschen übrig geblieben war. Diese hatten sich nicht
vordrängeln wollen, konnten sich vielleicht auch nicht wirklich
entscheiden. Sie wollten schon enttäuscht von dannen ziehen, da
sagte Gott: Na gut! Ihr bekommt das Land, das ich als meinen
Altersruhesitz geschaffen habe. Es gibt dort Berge und Wasser,
im Winter ist es kühl, im Sommer warm. Und so schickte er sie
nach Bohinj in Slowenien.
So jedenfalls erzählen sie es gerne, die Menschen in den vielen
kleinen Dörfchen, die gemeinsam die Gemeinde Bohinj bilden. Und
zu denen das Skigebiet Vogel (sprich: Wogel) gehört.
In diesem Winter hat der Wettergott ihre Region auch mit
massenhaft Schnee beschenkt. Was die meisten Skigebiete im
ehemaligen Jugoslawien in dieser Saison zu wenig haben – in der
bosnischen Jahorina geht ausgerechnet zum 30. Jahrestag der
Olympischen Winterspiele gar nichts – hat man hier
zuviel.
Auf den Dächern der Häuser liegt der Schnee meterhoch.
Hauptverkehrsstraßen sind zwischen Schneemauern zu engen,
einspurigen Wegen geworden.
Inmitten dieses Wintermärchens liegt also das romantische kleine
Skigebiet Vogel.
Hier beschleichen mich heimatliche Gefühle: Wir sind zurück in
den Alpen.
Vogel gehört zum Triglav-Nationalpark. Der Triglav ist mit 2864
Metern der höchste Berg im ehemaligen Jugoslawien. Vom Skigebiet
aus außerdem zu sehen: Die Karawanken, etwa 30 Kilometer
Luftlinie entfernt. Dahinter beginnt Österreich.
Heimatliche Gefühle bekomme ich leider auch, weil die
gemütlichen Pisten in Vogel ähnlich voll sind wie die in
Österreich. Nach den einsamen Balkan-Skigebieten fast ein
Kulturschock!
Aber dafür gibt es hier eben auch eine bessere Infrastruktur –
gute Liftanlagen, Hotels…
Bohinj war schon in den 60er Jahren ein touristischer Hotspot.
Mit Titos berühmter Residenz für Staatsgäste, dem Hotel
„Zlatorog“. Willy Brandt, Olof Palme, Vivien Leigh und viele
andere Politiker und Schauspielerinnen hat der jugoslawische
Staatschef hier empfangen.
Heute steht das geschichtsträchtige Anwesen leer, verfällt
unzugänglich für Besucher inmitten der Schneemassen.
Wir treffen den früheren Wirtschaftsdirektor. Er war einer der
Lieblingskellner Titos. Früher zur absoluten Verschwiegenheit
verpflichtet, kann er jetzt frei erzählen. Auf Tito lässt er
nichts kommen. Aber dessen Frau Jovanka sei ganz schön
unangenehm geworden, wenn sie – was häufig vorkam – einen über
den Durst getrunken hatte.
Und regelmäßig mussten sie das Hotelrestaurant für die
Öffentlichkeit sperren, weil Mitglieder der jugoslawischen
Regierung geheime Orgien feierten.
Den Dorfbewohnern hat das gar nichts gepasst. Eines Morgens
hatte alle Staatslimousinen platte Reifen…
Mein Leben hängt in Vogel an ein paar dünnen Schnüren und an
Sandi. Die Gleitschirmflieger-Legende hier. Geschätzte 8000
Flüge hat er in rund 30 Jahren absolviert. Er bringt mich beim
Tandemflug tief beeindruckt in die Lüfte und überglücklich
wieder runter in den Tiefschnee. Kurz hinter mir landet
Kameramann Alex mit seinem „Piloten“ – wir
zittern beide noch ein Weilchen mit einem breiten Lächeln im
Gesicht vor uns hin.
Sandis Sohn Andrei fliegt nicht. Er hat sich aufs Snowboarden
kapriziert. Aber wie! Saltos auf der Piste absolviert er nur so
zum warm werden und für unsere Kamera.
Am liebsten zieht er mit seinen Kumpels in verschneite Städte
und macht seine
Snowboard-Kunststücke
über Garagendächer oder Mauern.
Wir stehen am späten Abend noch einmal oben auf dem Berg. Der
Vollmond taucht Pisten und Berge in leuchtendes Milchweiß. Und
dazwischen immer wieder das Licht aus kleinen verschneiten
Hütten, die an Touristen vermietet werden.
Die Gondel ins Skigebiet fährt bis Mitternacht. In klaren
Nächten wie diesen wandern viele Mond- und Schneeliebhaber die
Ziehwege entlang.
Herrlich ist das – auch für uns….Zumindest wenn man davon
absieht, dass Gordan wieder mal Stativ und schweren Tonrucksack
schleppt und Alex mit seiner großen Kamera auch die große
Enttäuschung zu meistern hat, dass sich das herrliche Mondlicht
erstmal so gar nicht aufs Bild übertragen lassen will.
Am Ende meint er aber, er hätte es trotzdem geschafft.
Jetzt bin ich gespannt darauf, das Material im Studio zu
sichten.
Das Ergebnis ist am 8. März um 16 Uhr in den ARD-Weltreisen zu sehen.
Unsere Drehreise ist nach knapp 4000 Kilometern zu Ende. Sie war manchmal ganz schön anstrengend. Aber die Menschen, die wir getroffen haben und die neuen Eindrücke sind für uns alle ein Geschenk. Herzlichen Dank an das tolle, immer hochmotivierte Team!




