Der muslimische Fastenmonat Ramadan oder ramazan, wie wir ihn in Bosnien nennen, hat begonnen. Das weckt Kindheitserinnerungen in mir.
Ich bin bei meiner Oma in der Altstadt von Sarajevo groß geworden. Dort war ramazan ein wirkliches Jahresereignis. Den ganzen Monat herrschte eine festliche Atmosphäre in der ganzen Nachbarschaft, jeder bemühte sich, nett zu sein, alle kümmerten sich um die Armen und viele fasteten. Bei den Muslimen heißt es, vom Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gar nichts essen, gar nichts trinken dürfen! Wenn aber iftar (Fastenbrechen) kam, belohnte man sich mit einem reichlichen Essen. Das Menü wechselte dabei ständig, mit einer Konstanten – der Somun!.
Somun oder samun ist eine Art Fladenbrot typisch für Sarajevo. Unsere Cevapcici werden z.B. immer nur mit Somun serviert. Im Monat Ramadan bekommt Somun sein feierliches Gewand, den schwarzen Kreuzkümmel.
Als ich klein war, war es die Aufgabe von uns Kindern, frische Somuns zu besorgen. So ging ich jeden Tag am späten Nachmittag mit anderen Nachbarskindern in die Bäckerei, um für meine Oma Somuns zu kaufen. Für meinen Fleiß belohnte sie mich mit Geld für meinen Somun.
Ich kann mich erinnern, wie kompliziert es sein konnte, sie nach Hause zu tragen. Die Brote waren heiß aus dem Ofen und ich hatte oft nur ein sauberes Leinentuch dabei, um sie einzuwickeln. Es brannte an den Fingern und ich habe sie in den ersten Minuten von einer Hand in die andere geworfen, um ihre Hitze besser ertragen zu können. Sie haben aber so wunderbar gerochen, dass ich es oft nicht abwarten konnte, nach Hause zu kommen und etwas Butter darauf zu schmieren (Butter, Salz, Somun – Ein himmlischer Geschmack!), sondern ich habe mein Fladenbrot meistens schon unterwegs pur aufgegessen.
Auch heute ist ramazan ohne Somun unvorstellbar. Vor den traditionellen Bäckereien in der Altstadt gibt es noch immer die langen Warteschlangen. Aber nur wenige Kinder sind dabei. Die Kinder von heute lassen sich wohl nicht mehr so einfach in die Bäckerei für so eine kleine Belohnung schicken. Schade.
Mitarbeit: Eldina Jasarevic





