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20. Juni 2015

Chavdar – das erste bulgarische „EU-Dorf“

Bulgarien feiert sein erstes „EU-Dorf“ – Chavdar, klein aber fein, 70 Kilometer von der Hauptstadt Sofia entfernt. Da mag man sich fragen, wie das einst eher verschlafene Dörfchen zu so einem grandiosen Titel kommt, vor allem, da es zu der kleinsten Gemeinde ganz Bulgariens gehört. Es geht um viel Geld, einen ambitionierten Bürgermeister und um verwirklichtes Bürgerinteresse.

In den letzten 12 Jahren ist es dem kleinen Dorf gelungen mit 22 Projekten rund 6 Millionen Euro aus EU-Fonds zu erhalten. Mit über 5.000 Euro pro Einwohner liegt es somit einsam an der Spitze Bulgariens bei der Ausnutzung von EU-Geldern. Das allein ist ein beachtlicher wirtschafts-politischer Erfolg, was aber noch viel mehr im korruptionsverrufenem Bulgarien zählt: die Gelder verschwanden nicht in undurchsichtigen Geschäften, sondern wurden tatsächlich bestimmungsgemäß für verschiedene Infrastruktur-Projekte Chavdars verwendet.
Das ist vor allem Chavdars Bürgermeister Pencho Gerov zu verdanken der schon seit drei Mandaten die Geschicke des Dorfes leitet. Trotz seiner 78 Jahre (oder vielleicht gerade deswegen) folgt Gerov leidenschaftlich und unbeirrt seiner Mission, die Lebensbedingungen in seinem Dorf ständig zu verbessern, um es für junge Familien attraktiv zu machen. Und die Zahlen geben ihm Recht. Während ganz Bulgarien unter der Landflucht leidet, bleiben nicht nur jungen Dorfbewohner in Chavdar, sondern es ziehen auch immer mehr junge Familien aus ganz Bulgarien hier her.

„Das Aussehen des Dorfes hat sich in den letzten Jahren komplett verändert und uns fehlt schlichtweg nichts“, freut sich Radka Delkova, eine der Ureinwohnerinnen Chavdars. „Und das haben wir alles unserem ungewöhnlichen Bürgermeister zu verdanken. Er benimmt sich nicht wie ein normaler Politiker, sondern wie ein sorgender Haushälter“, betont die Leiterin des Kindergartens Iordanka Petkova.
Aber es sind nicht nur frisch asphaltierten Straßen, die moderne energiesparende Straßenbeleuchtung, Spielplätze, Parkanlagen, renovierte Kindergärten und Schulgebäude und moderne Wohnhäuser, die diese Anziehungskraft ausüben. Die zwei ortsansässigen metallverarbeitenden Industriebetriebe, die kanadische „Dundee Precious Metals Chelopech“ und die bulgarische „Ellatzite-Med AD“ arbeiten erfolgreich und sorgen für gute Beschäftigungsmöglichkeiten.

„Ich bin davon überzeugt, dass die Bulgaren, die nach Westeuropa ausgewandert sind, allesamt zurückkehren würden, wenn unsere Industrie ihnen nur genügend Arbeitsmöglichkeiten bieten könnte. Sie haben alle Heimweh, aber sind angesichts der Arbeitslosigkeit in Bulgarien gezwungen, im Ausland zu bleiben“, erklärt der rastlose Bürgermeister und verkündet seine neuste Vision. Er will Chavdar zu einem kulturhistorischen und landschaftlich attraktiven Touristenzentrum machen. Trotz der Industriebetriebe? Zuzutrauen ist es ihm!

Mitarbeit: Camelia Ivanova

 

 

 

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