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29. Juni 2015

Serbische Geschichtsklitterung

Die Statue des Attentäters auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo, Gavrilo Princip, steht seit dem 28.06.2015 in einem kleinen Park in Belgrad. Foto: picture alliance | dpa
Die Statue des Attentäters auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo, Gavrilo Princip, steht seit dem 28.06.2015 in einem kleinen Park in Belgrad. Foto: picture alliance | dpa

Es ist ein symbolisches Datum, ein symbolischer Ort, ein symbolisches Publikum. In Belgrad ist mit viel TamTam eine zwei Meter hohe Bronze-Statue von Gavrilo Princip eingeweiht worden. Am 28.Juni, dem Vidovdan, dem Veitstag. Hundertein Jahre nach dem Attentat von Sarajevo. Der junge bosnische Serbe Gavrilo Princip hatte 1914 den Habsburger Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau erschossen.

Der serbische Präsident Nikolic bezeichnete den Attentäter als „Helden“. Die Statue in Belgrad ist ein Geschenk aus Bosnien, von Milorad Dodik, dem Präsidenten der serbischen Teilrepublik Bosniens. Er machte klar, wie er seine Gabe verstanden wissen will: Als Beitrag zur Erinnerung an das Massaker von Srebrenica. Vor 20 Jahren – im Juli 1995 – hatten bosnisch-serbische Truppen und Paramilitärs etwa 8.000 Jungen und Männer in der ostbosnischen Kleinstadt ermordet. „Es gibt nicht nur einen Juli 1995“, so Dodik.

Und so rechnete der Serbenpolitiker aus Bosnien auf: Dodik erinnerte an Naser Oric, den Kriegskommandeur der Bosniaken aus Srebrenica, dessen Auslieferung Serbien jetzt von der Schweiz gefordert hatte. Ihm wird der Tod von einigen serbischen Zivilisten zur Last gelegt. Das Kriegsverbrechertribunal von Den Haag hatte Oric dafür zu zwei Jahren Haft verurteilt, später aber freigesprochen.

Kürzlich erst hatte Dodik erklärt, in Srebrenica habe es keinen Völkermord gegeben – entgegen der Einschätzung des UN-Kriegsverbrecher-Tribunals in Den Haag. Relativieren, Aufrechnen, Täter-Opfer-Umkehr, serbischer Opfer-Mythos. 20 Jahre nach dem Ende des Bosnien-Krieges tun sich die Kriegsparteien schwer damit, die Verantwortung für die Verbrechen zu übernehmen. „Sie schieben uns für alles die Schuld zu“, so Dodik, „egal, ob wir verantwortlich sind oder nicht. Und wir sind an Wenigem schuld“. Nie hätten Serben jemand angegriffen, sondern sich immer nur verteidigt, behauptet Dodik. Ein Mythos, der den Fakten nicht standhält.

Der serbische Präsident Nikolic – ein früherer Tschetnik-Kämpfer – machte klar, worum es bei der Gedenk-Veranstaltung in Belgrad auch ging: „Wir dürfen auch die Schlachten nicht verlieren, die heute durch Bücher, Debatten, in den Medien, im Internet geführt werden.“

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