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23. August 2015

Bulgarien – „Plattenbauten haben wir genug“

„Mladost liebt das Kino – Blocks haben wir genug!“

Aleks hält ein Plakat in die Höhe, in der Hoffnung, dass das Freiluftkino in seinem Viertel nicht bald schon wieder verschwindet. Denn in Mladost, einem Außenbezirk Sofias, finden nur selten kulturelle Veranstaltungen statt. „Das kulturelle Leben Sofias spielt sich im Stadtzentrum ab. Wir sind froh, dass wir heute hier bei uns Filme sehen können“, sagt Aleks. Die improvisierten Kinostühle im weitläufigen Park von Mladost sind voll. Daneben sitzen junge Menschen auf Picknickdecken. Ausgelassene Stimmung – und das, obwohl nicht gerade leichtverdauliche Kost gezeigt wird. Es läuft Svetoslav Ovtcharovs Film „Zad kadar“ über die Verfolgung eines Kameramanns durch die Staatssicherheit im kommunistischen Bulgarien der 1970er Jahre. Um die Vorstellung bequem verfolgen zu können, haben Borislav und sein Vater sogar ihre eigenen Stühle mitgebracht. Borislav besucht häufig Kinos im Zentrum, für seinen Vater ist der Besuch im Freiluftkino aber eine seltene Ausnahme. „Mein Vater ist nicht mehr der Jüngste. Es ist einfacher, wenn das Kino zu uns kommt, als selbst ins Zentrum zu fahren“, meint Borislav.

Adriana Paneva, die mit ein paar Freunden das „Blok Kino“ veranstaltet, sieht das genauso. „Wir zeigen bewusst bulgarische Filme abseits von Hollywood-Produktionen. Und zwar bei freiem Eintritt an Orten, an denen sie normalerweise nicht zu sehen sind“. Finanziert wird das Projekt, das in diesem Sommer zum ersten Mal stattfindet, gemeinsam von der Stadt Sofia und der Europäischen Union. Insgesamt werden in fünf unterschiedlichen Randbezirken Filme gezeigt – in Mladost zum Beispiel im Park zwischen den Plattenbauten, in Knjazevo auf einem Schulhof, wo ‚leichtere Kost‘ für Kinder und Jugendliche gezeigt wird.

Die Schule „Jordan Jowkow“ in Knjazevo: Normalerweise ein Schulhof – heute ein Freiluftkinosaal. Foto: BR | Isabella Purkart
Die Schule „Jordan Jowkow“ in Knjazevo: Normalerweise ein Schulhof – heute ein Freiluftkinosaal. Foto: BR | Isabella Purkart

Die achtjährige Marina wartet in Knjazevo gespannt darauf, dass es dunkel wird und der Film beginnt. Gut ausgerüstet mit Snacks und Limonade hält sie mit ihren Freundinnen schon zwei Stunden davor die besten Plätze in der ersten Reihe frei. Weit war ihr Weg dorthin nicht. „Ich wohne gleich dort drüben und das hier ist meine Schule“, sagt Marina und hofft, dass sie bis zum Ende ihres ersten Kinofilms bleiben darf.

Das „Blok Kino“ hat bereits viele Fans – nicht nur bulgarische. Foto: BR | Isabella Purkart
Das „Blok Kino“ hat bereits viele Fans – nicht nur bulgarische. Foto: BR | Isabella Purkart

In Mladost sitzt Aleks mit seinen Feunden zusammen. Zwei davon sind der Münchner Christian und seine Freundin Lidia, die selbst aus Mladost stammt. Die beiden leben in Wien und sind auf Heimaturlaub in Bulgarien. „Endlich macht jemand etwas in diesem Viertel“, sagt Lidia. Auch Christian freut sich über die Abwechslung im Stadtviertel seiner Freundin. „Als mir Lidia gezeigt hat, wo sie herkommt, war ich schockiert: Plattenbauten, soweit das Auge reicht. Aber eigentlich ist es gar nicht so schlecht hier“, meint der junge Architekt. „Innen sind die Wohnungen sehr schön eingerichtet, und außerdem ist man mit der neuen U-Bahn-Linie sehr schnell im Zentrum“. Inspiriert von Aleks hat auch Christian ein Plakat gemalt: „Ich bin extra aus München gekommen, um beim Block Kino in Mladost dabei zu sein“, steht auf seinem Transparent. Der einzige Grund nach Sofia zu kommen ist das Freiluftkino sicher nicht, eine zusätzliche Bereicherung für die Einwohner der bulgarischen Hauptstadt ist es aber allemal. Auch für Besucher Sofias, die sich nicht nur mit herausgeputzten Touristenattraktionen zufrieden geben wollen.

Mitarbeit: Isabella Purkart

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