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Der Junge aus dem Müll
Eine Roma-Familie aus Albanien
Familie Xhemalaj lebt am Rande der neu gebauten Nationalstraße in der südwestalbanischen Touristenmetropole Vlora. Ein großer, sehr schmutziger Abwasserkanal trennt die Straße von der Hütte der Roma-Familie. Familienvater Leonard hat einige Bretter über den Kanal gelegt, damit die Familie ihr erbärmliches Zuhause verlassen kann. Der 47-Jährige sammelt Plastikflaschen, Cola-Dosen und Schrott, um die Familie zu ernähren. Die Wohnräume der Familie gleichen einem Lager für Recycling-Müll.
Davon und von etwa 200 Euro Sozialhilfe und Rente leben 13 Personen, die sich in den drei „Zimmern“ drängen, darunter Großvater Koco Xhemalaj, seine Frau Qefale und die fünfzigjährige Xhuljeta – Leonards Frau. Beim Schrottsammeln hat Leonard den siebenjährigen Isaleo gefunden, der Säugling mit dem weißen Gesicht lag im Müll, die leibliche Mutter hatte ihn regelrecht weggeworfen. „Mitnehmen oder nicht“, überlegte Leonard. Dann siegte die Liebe zu dem Kind. „Nimm dieses Geschenk“, sagt er zu seiner Mutter. Es war nicht leicht für die bitterarme Familie, Isaleo durchzubringen. Mutter und Großmutter spendeten Blut, um zu etwas Geld zu kommen – Geld für Isaleos Milch. „Ich liebe ihn wie meinen eigenen Sohn“, sagt Großmutter Qefale.
In schmutzigen Hosen, aber mit sauberem, weißem Gesicht steht Isaleo im Hof der Familie. Dort befindet sich auch der Überrest eines Bunkers aus der Hodxha-Zeit, Leonard hat die Eisenstangen entfernt, die konnte er an die Schrotthändler verkaufen. Isaleo weiß, wo er her kommt. „Wir haben es ihm gesagt“, sagt Qefale, „er sollte es nicht von anderen erfahren“. Sie musste die Beamten im Standesamt schmieren, damit sie Isaleo registrierten, erzählt sie. Aber sie lebt in ständiger Angst, dass ihr jemand den angenommenen Sohn wegnehmen könnte.
„Das ist meine Familie“, sagt der Junge, der selbst auch schon Flaschen sammelt. In die Schule geht der Junge nicht, will aber gerne Musiker werden, sagt er. Isaleo ist nach einem bekannten griechischen Klarinettisten benannt, den Vater Leonard in Griechenland kennen gelernt hatte.
Zur Familie gehört auch Isaleos Stiefschwester Ornela. Sie ist 15 Jahre alt, aber schon Mutter eines Sohnes. Mit ihrer kleinen Familie lebt sie auch hier – so wie auch Leonards Bruder Shpetim. Der 46-jährige wurde von seiner Frau verlassen. Die Nachbarn loben die Hilfsbereitschaft und Zusammenhalt der Familie, dem albanischen Staat sind die Xhemalajs egal.
Leonard musiziert mit seinem Sohn
Video: Astrit Ibro