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Erst verspottet – dann respektiert
Wie jugendliche Straftäter in Ungarn Blindenhunde ausbilden
Ich weiß, wie wertvoll eine Hundetherapie sein kann
László Joó, Gefängnisdirektor
Odin ist mehr als froh, wenn Martin die Tür seines Käfigs öffnet. Der schwarze Labradorwelpe hopst fast einen Meter hoch, wedelt und kläfft dabei ungeduldig. „Bleib ruhig! Sitz!“ – kommandiert Martin. Sein Mitgefangener und Freund, Kornél wartet draußen, bis Martin Odin an die Leine gelegt hat. Mitgefangener? Ja, denn wir sind im Jugendgefängnis beim Miskolc im Osten Ungarns. Hier bilden junge Häftlinge seit vier Jahren Blindenhunde aus. „Ich beschäftige mich seit fast drei Jahren damit“ – sagt der blonde Martin. „In unserem Programm werden etwa 30 Hunde ausgebildet. Und, wenn ich mich recht erinnere, sind in dieser Zeit fast alle Hunde durch meine Hände gegangen“ – sagt der junge Mann. „Ich habe also bestimmt 27 oder 28 Hunde ausgebildet“ – lächelt Martin. Kornél ist erst seit etwa sieben Monaten dabei. „Momentan haben wir leider nur einen Hund hier“, erzählt der sonst eher schweigsame Junge.
Der junge Labrador Odin hat sich unterdessen beruhigt, denn er weiß, dass es jetzt ans Arbeiten geht. Die zwei jungen Männer beginnen erst einmal mit einer Routineaufgabe: Odin muss sich vorsichtig den Hindernissen nähern, wenn alles in Ordnung ist auf die Treppe klettern und vor allem darf er sich von nichts ablenken lassen. Macht er das gut, bekommt er dafür ein Leckerli.
Die Nachfrage ist groß und wir könnten weit mehr Welpen trainieren
Béla Papp, Leiter des Hundeprojekts
Martin und Kornél bei Übungen mit Hund Odin
„Beide Jungs sind sehr gut“ – meint der Leiter der Hundesiedlung des Gefängnisses. Béla Papp. Er hat zu Hause selbst acht Hunde. Er ist nicht nur mit der Arbeit von Martin und Kornél sehr zufrieden, sondern auch damit, wie sich Ausbildungshund Odin entwickelt. „Vor vier Jahren habe ich im Fernsehen gesehen, wie in den USA Blindenhunde ausgebildet werden. Ich habe dem Vorstand davon erzählt, und die Idee hat allen gefallen“ – erinnert sich der Stabsfähnrich an die Anfänge der Hundeausbildung. „Als ich ein Kind war hatten wir immer Tiere zu Hause. Und ich weiß, wie wertvoll eine Hundetherapie sein kann“ – so Gefängnisdirektor. László Joó. Er glaubt, dass das Programm nicht nur Menschen mit Sehbehinderung nützt, sondern auch bei der Reintegration der jungen Gefangenen hilft.
Ohnehin war der Anfang nicht einfach, denn die teilnehmenden Häftlinge wurden von den anderen zunächst verspottet. „Aber das hat sich schnell geändert“ – sagt der Gefängnisdirektor. „Bald gab es aber keine Hänseleien mehr und die anderen wollten auch mitmachen“ – fügt László Joó hinzu.
Die Jugendlichen haben zum ersten Mal positive Erfahrungen. Durch das Hundetraining werden sie offener
Lejla Fejes, Gefängnispsychologin
Martin und Kornél bei Übungen mit Hund Odin
„Bei den Teilnehmern merkt man sehr schnell positive Veränderungen“ – bestätigt auch die Psychologin des Gefängnisses. Lejla Fejes arbeitet mit den Häftlingen seit anderthalb Jahren. „Allein die Tatsache, dass sie für das Programm ausgewählt worden sind, bedeutet ihnen viel.“ sagt sie. Überhaupt hätten viele der jugendlichen Straftäter zum ersten Mal positive Erfahrungen gemacht und Erfolge erlebt – fügt die junge Spezialistin hinzu. Bei der Auswahl der Teilnehmer spielt unter anderem eine Rolle, ob sie Kontakt zu ihrer Familie oder Freunden haben. Denn: „Durch das Hundetraining werden sie offener. Und das ist auch bei der Resozialisierung wichtig“ – sagt Lejla Fejes.
Hundebetreuer Béla Papp beobachtet auch, wie die Jugendlichen ihre anspruchsvollen Aufgaben ausführen. „Wenn sie Rat oder Hilfe brauchen, bin ich immer für sie da“ –sagt er. Die tägliche Routine der Hundetrainer beginnt gegen acht Uhr morgens. Martin und Kornél putzen dann erst den Käfig. Dann arbeiten sie mit Odin 30 – 40 Minuten. Dann wird der gefüttert. „Und das machen wir am Nachmittag dann noch einmal “- sagt Bela Papp. Die Hunde bleiben hier bis sie ein Jahr alt sind. Dann nimmt sie der Blindenverband mit, und beendet die Ausbildung der Tiere, mit dem neuen Besitzer. „Die Trennung ist schwierig. Aber wir organisieren Tage, an denen die neuen Besitzer mit den Hunden zu Besuch kommen. Es ist immer berührend. Denn die Hunde erkennen die Jugendlichen wieder“ – erzählt Béla Papp. „Un Ungarn, sind wir die einzigen die so eine Ausbildung anbieten“ – sagt László Joó. Er hat bereits Anfragen aus anderen Gefängnissen, wie man so ein Programm auf die Beine stellen kann. „Leider können die Blindenverbände nur sehr wenig Welpen für die Ausbildung zur Verfügung stellen.“- benennt der Direktor, eine der Schwierigkeiten.
Der jugendliche Häftling Martin hat selbst zwei Dackel zu Hause. „Dackel spinnen ein bisschen, denn das sind sture Hunde“ –lächelt er. Rund vier Jahre muss Martin noch im Gefängnis bleiben. Weil er bald zu alt für das Jugendgefängnis ist, muss er möglicherweise bald weg. Er hofft nun, dass er bis dahin wenigstens noch einen Hund ausbilden kann. Wenn Martin über Hunde redet, leuchten seine Augen. Er hat sehr viel über Hunde gelernt. „Ich werde in Zukunft sicherlich meinen Freunden bei der Hundezucht helfen“ – sagte Martin. Kornél muss noch etwa ein Monat im Gefängnis bleiben. Auch er hat Hunde zu Hause. „Ich werde sicherlich mit ihnen arbeiten“ – lächelt der Junge voller Vorfreude.
Der künftige Blindenhund Odin muss nach dem Training in seinen Käfig zurück. Er ist sehr froh, denn nun bekommt er endlich etwas zu fressen. Die Jungs verabschieden sich von ihrem jungen Ausbildungshund und gehen zurück in ihre Zelle. Alle drei können kaum das Nachmittagstraining kaum erwarten. Denn nicht nur der Hund Odin ist froh, wenn sich die verschlossene Türe öffnet.