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BR | Videostandbild | Daniel Dzyak

Flüchtlingshilfe in Ungarn
EuGH-Urteil stärkt Helfern den Rücken

Was in Ungarn an Flüchtlingshilfe angeboten wird, erreicht keinen der minimalen internationalen Standards.

Andras Kovats, Direktor der Hilfsorganisation Menedek

Josefstadt heißt der Budapester Stadtteil und er gehört nicht zu den nobelsten Vierteln der ungarischen Hauptstadt. Die Fassaden heruntergekommen, auffallend viel Polizei auf den Straßen. Wenn es aber überhaupt Multikulti in Budapest gibt, dann hier. Nicht von ungefähr hat deshalb auch die Flüchtlings-Hilfsorganisation Menedek in Josefstadt ihre Anlaufstelle angesiedelt. Seit 22 Jahren gibt es diese Einrichtung, die teils privat teils staatlich finanziert wird. Die mehr und mehr aufgeheizte Stimmung in Sachen Flüchtlingspolitik bekommen auch sie zu spüren, sagt der Direktor der Organisation, Andras Kovats. Hilfsangebote für Flüchtlinge würden in Teilen der ungarischen Bevölkerung im kritischer gesehen. „Wir spüren ganz deutlich“, so Kovats, “dass sich in den vergangenen zwei Jahren die Politik wie auch die öffentliche Meinung geändert haben, das heißt die Beurteilung unserer Tätigkeit durch die Bevölkerung. So gab es in den vergangenen Jahren eine Reihe von Gesetzesänderungen, die unserer Meinung nach das System des ungarischen Flüchtlingsschutzes erschwert haben. Was in Ungarn an Flüchtlingshilfe angeboten wird, erreicht keinen der minimalen internationalen Standards. Unter solchen Umständen ist es sehr schwer, qualitativ angemessene Arbeit zu verrichten“. Mehrheitlich bleiben die Flüchtlingshelfer zuversichtlich. Die Europäische Union unterstützt auch Menedek organisatorisch wie finanziell. So ist das nun ausgesprochene Urteil des Europäischen Gerichtshofs eine wesentliche Rückenstärkung für die Helfer. Gegen die zunehmend schlechte Stimmung im Land in Sachen Flüchtlingshilfe sind aber auch sie machtlos.

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Beitrag: Michael Mandlik

Kamera: Daniel Dzyak

Schnitt: Roland Buzzi

„Quoten, Kampf und Ohrfeigen“ - Ungarische Pressestimmen zum EuGH- Urteil

Die meisten Zeitungen in Ungarn sind auf der Linie der Regierung und sehen das Urteil kritisch. Foto: BR | Attila Poth
Die meisten Zeitungen in Ungarn sind auf der Linie der Regierung und sehen das Urteil kritisch. Foto: BR | Attila Poth

In Ungarn werden viele Medien inzwischen von der Regierung oder regierungsnahen Personen kontrolliert. Der öffentlich–rechtliche Rundfunk ist seit langem nicht mehr unabhängig. Und auch was die privaten Medien angeht sieht es düster aus. Je ein landesweiter TV – und Radiokanal gehören einem Regierungsbeauftragten. Die kritischsten Medien sind Online-Portale wie Index, Átlátszó, Direkt 36 oder 444. Aber die meisten Menschen in Ungarn – vor allem auf dem Land – informieren sich nicht im Internet, sondern über herkömmliche Medien, so die Medienforscherin Ágnes Urbán. „Das Publikum in Ungarn informiert sich vor allem aus dem Fernsehen. RTL, TV2 und die staatlichen Kanäle sind die wichtigsten Informationsquellen. Die staatlichen Kanäle sind Sprachrohr der Regierung. Und auch TV2 sendet seit dem Eigentümer-Wechsel Regierungspropaganda. Der Besitzer ist ein Regierungsbeauftragter. Unter den Informationsquellen mit der größten Reichweite ist RTL Klub das einzige unabhängige Medium geblieben“. Im Oktober 2016 wurde zur Überraschung der Journalisten, auch die auflagenstärkste regierungskritische Zeitung „Népszabadság“ eingestellt. Sie war trotz der niedrigen Auflage von nicht einmal 40.000 Exemplaren Spitzenreiterin auf dem ungarischen Markt, denn dieser ist klein. Als Grund wurde angeführt, die Zeitung sei nicht wirtschaftlich gewesen. Eine Stimme die nun fehlt. Doch trotzdem gibt es in der ungarischen Presse unterschiedliche Meinungen zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg. Die Richter haben am 6.9.2017 die Klage von Ungarn und der Slowakei gegen die Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU abgewiesen. Eine Auswahl der Pressereaktionen:

 

  • Die unabhängige linke „Népszava“ beginnt einen langen Artikel mit einem Wortspiel.  Sinngemäß gibt es das geflügelte Wort, sich „eine Ohrfeige abzuholen“. Dies wird auf die Quoten übertragen. Ungarn habe sich eine Quote abgeholt, heißt es dort. Die Orbán-Regierung habe den Prozess verloren, und der Kampf gegen Brüssel wird als wichtiges Kampagnenthema für die Palrmanetswahl im April 2018 gewertet. Die Zeitung geht davon aus, dass die juristische Auseinandersetzung mit Brüssel weitergehen wird und betont, dass im Rahmen des bereits laufenden Vertragsverletzungsverfahrens, die EU Kommission mit der gerichtlichen Auseinandersetzung beginnen wird.

 

  • Die konservative „Magyar Nemzet“ war früher regierungsfreundlich, bis sich ihr Besitzer, Lajos Simicska mit Regierungschef Viktor Orbán zerstritt. Nun schreibt sie kritisch über die Regierung-Orbán. Sie sieht den EuGH-Prozess als verloren an, Budapest habe aber eine kampflustige Antwort gegeben. Die Zeitung lässt Experten zu Wort kommen, wie die Regierung mit den Quoten umgehen könnte. Diese meinen unter anderem,  Ungarn könnte nur Minderjährigen oder nur Christen aufnehmen. Die Zeitung betont, dass die Regierung die Quotenvereinbarung weiter ablehnen wird.

 

  • Die regierungsnahe „Magyar Hírlap“  widmet dem Thema die ganze Titelseite und titelt:  „Der Kampf beginnt jetzt“. Die Zeitung hält Ungarns Haltung für konsequent und hält an Grenzkontrollen fest.  Die Zeitung zitiert auch Außenminister Péter Szijjártó , der die EuGH-Entscheidung für verantwortungslos und inakzeptabel hält. Sie zitiert Experten  die meinen, die Luxembuerger Entscheidung werde dazu führen, dass noch mehr Migranten nach Europa kommen.

 

  • Die regierungsnahe Zeitung „Magyar Idök“ glaubt, dass „der richtige Kampf um die Quoten jetzt beginnt „. Sie zitiert den Außenminister Péter Szijjártó , der die EuGH-Entscheidung für politisch motiviert hält. Die Zeitung zitiert eine Erhebung des regierungsnahen Instituts Századvég. Demnach glauben  72% der Befragten, dass Ungarn für die eigene Wahrheit weiterkämpfen solle. Die Zeitung meint, dass linke Parteien in Brüssel erfolgreiche Lobbyarbeit betrieben haben, was die Entscheidung des Gerichtshofs  wiederspiegeln würde.

 

  • Blikk  ist die größte Boulevardzeitung  in Ungarn. Ein kleiner Artikel auf der Titelseite heißt: “ Der richtige Kampf um die Quoten mit Brüssel beginnt“.
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