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9. Juni 2014

Süd-Ost-Sound aus Albanien: Alida Hisku – Sängerin zwischen Diktatur und Gitarre

Präsentiert von Astrit Ibro

Alida Hisku hatte ihre ersten Auftritte mit 13 Jahren beim nationalen Liederfestival von „Radio Tirana“ und im albanischen Fernsehen im Jahr 1970. Dieses Festival war und ist bis heute das wichtigste Musikereignis in Albanien. Im Jahr 1974 gewann sie dann mit dem Lied „Die Mädchen meines Dorfes“ den ersten Preis. Insgesamt nahm sie zehn Mal teil und errang neben den beiden Siegen fünf Mal den zweiten Platz. Proben, Auftritte und Aufnahmen absolvierte Alida Hisku begleitend zu ihrer Schulausbildung und ihrer Arbeit in einer Druckerei. Immer wieder begeisterte sie auch auf Tourneen durch verschiedene europäische Länder das nicht-albanische Publikum.

Alida Hisku - Fotoquelle: alida-hisku.net
Alida Hisku – Fotoquelle: alida-hisku.net

1982 wurde Hisku dann von der albanischen Geheimpolizei, der Sigurimi verhaftet und in einem Schauprozess wegen „Agitation und Propaganda gegen die Regierung“ verurteilt. Sie hatte kritische Gedanken über die ärmlichen Zustände in Albanien in ihrem Tagebuch festgehalten.

Darin formulierte sie was das Herz ihr sagte und was sie in der Realität gesehen hatte: „ … heute am ersten Jahrestag des Todes meiner geliebten Mutter bin ich sehr traurig. Das Leben scheint mir wie eine Hölle. Hier, wo ich bin, fressen selbst die Hühner nur Steine. Die Bauern arbeiten so hart und haben doch nur ein schlechtes, elendes Leben…“, diese Sätze wurden Alida Hisku zum Verhängnis.

In der Folge durfte sie nicht mehr arbeiten und nicht mehr auftreten. Sie ließ sich danach von ihrem Mann scheiden und konnte mit vielen Schwierigkeiten das Sorgerecht für die beiden Söhne erlangen. 1990 flüchtete sie mit ihren Kindern nach Deutschland, heiratete einen Optiker und bekam noch eine Tochter.

Als ausländischer Gaststar wurde Alida Hisku dann erneut zum nationalen Liederfestival 2012 nach Albanien eingeladen. Seit dem singt sie auch wieder in ihrer Heimat. Sie hat inzwischen ein Album namens „Die Rückkehr“ herausgegeben, auf dem sie auch mit ihrem Sohn zu hören ist, der Albanien mit 4 Jahren verlassen hat. Über ihr Leben hat Alida Hisku ein Buch geschrieben, Titel „Die Hofnärrin des Diktators“ (die korrekte Übersetzung: „Die Hofnarren des Diktators“) – Von der Propaganda missbraucht, vom Publikum geliebt, von den Mächtigen verboten.“ Das Buch ist eine Autobiographie über das Leben in zwei Systemen.

Alida Hisku – „Die Gitarre der Jugend“, gesungen 2006 (Quelle: Youtube | mattmin45)

http://youtu.be/Yhz8gsiFusU
Ich habe Alida Hisku ausgewählt, nicht weil sie die beste Sängerin Albaniens war, sondern weil sie ein tragisches Leben hat, ein Symbol für den Umgang des kommunistischen Regimes mit Künstlern ist. Anfang der 70-er Jahre gab es eine Tendenz in der albanischen Musik, westliche Elemente einzuführen. In diesem Geist fand auch das 11. Nationale Liederfestival von „Radio Tirana“ und im albanischen Staatsfernsehen im Dezember 1972 statt, das von der damaligen kommunistischen Partei stark kritisiert wurde. Einige Komponisten und Sänger wurden in der Folge in Provinzstädte zur Umerziehung geschickt, andere durften gar nicht mehr singen. Bei den folgenden Festivals hat man wieder Lieder über Fabriken, Bäuerinnen, Kumpel und die Arbeiterklasse aufgeführt. Dazu gehört auch das Lied „Die Mädchen meines Dorfes“, das zwei Jahre nach diesem berühmt-berüchtigten Festival entstand.

Alida Hisku – „Die Mädchen meines Dorfes“ (Quelle: Youtube | jashar berxolla)

http://youtu.be/lwFrShVDmpI
Hier der Text in einer freien Übersetzung:

Am Ufer des Flusses meines Dorfes,
kommen die Mädchen heute aus dem Feld,
der Schweiß glänzt auf ihrer Stirn.

Das Glück wächst heute.
Unsere Mädchen mit goldenen Händen.
Sie selbst sind wie Blumen,
die Blumen unserer Freude.

Mit dem Getreide des Feldes,
mit der Duft des Berges,
mit Heldenliedern,
haben die Mädchen ihre Gestalt erhöht.

Inmitten des Windes, des Feldes,
Inmitten des Windes, des Berges,
wächst die Liebe der Mädchen,
für die Jungen des Dorfes.

Am Ufer meines Dorfes,
wachsen die tapferen Mädchen auf,
um über die Freiheit zu wachen.

Ihre Arme goldfarbig,
durch die Sonne des Südes.
Ihre Träume sind,
voll wie Weizenkörne auf dem Feld.

Refrain

Mit dem Getreide des Feldes,
mit der Duft des Berges,
mit Heldenliedern,
haben die Mädchen ihre Gestalt erhöht.

Inmitten des Windes, des Feldes,
Inmitten des Windes, des Berges,
wächst die Liebe der Mädchen,
für die Jungen des Dorfes.

Kommentare (2)

Annette Piechutta, Autorin und Ghostwriterin am

Ich freue mich, dass das spannende, aber vor allem tragische Leben von Alida Hisku erneut von einer Redakteurin aufgegriffen wurde. Nach ihrer Flucht aus Albanien 1990 lebte Alida in Deutschland lange Zeit sehr zurückgezogen, und ist erst wieder mit Erscheinen ihres Buches und einer etwa im gleichen Zeitraum aufgenommenen CD in die Öffentlichkeit zurückgekehrt.
Ich hatte die große Ehre, Alida Hisku kennenzulernen, als sie mich als Unterstützung für ihr Buchprojekt ansprach. In zahlreichen Interviews und oft unter Tränen erzählte sie mir ihr Leben, das ich für sie in ihrem Sinne niederschrieb. Schade, dass es nur noch Einzelexemplare davon gibt. Für mich gehört Alidas Lebensgeschichte bis heute zu den beeindruckendsten Projekten, an denen ich mitwirken durfte, dazu noch ganz offiziell und nicht nur als „Schreibgeist“. Alida danke ich dafür!

Rainer Grundmann am

Alida ist nicht nur eine begnadete Sängerin. Was sie in ihrem bisherigen Lebensabschnitt alles erleben musste, ist für einen einzelnen Menschen kaum zu ertragen. Bewundernswert, wie sie ihr Leben gemeistert hat. Höhen und Tiefen hat sie eindrucksvoll in ihrem Buch „Die Hofnärrin des Diktators“ beschrieben. Es ist mir eine besondere Ehre, dass ich Alida kennenlernen durfte.

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