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19. Juni 2014

Miljenko Jergovic kommentiert den ersten Sieg der kroatischen Nationalmannschaft – Durchmarsch zum achtarmigen Gott

Miljenko Jergovic schaut sich den 4:0 Sieg der Kroaten über Kamerun in einem Belgrader Biergarten an.
Miljenko Jergovic schaut sich den 4:0 Sieg der Kroaten über Kamerun in einem Belgrader Biergarten an.

Kurz vor dem Spiel Brasilien – Mexiko bin ich in Belgrad angereist und habe allein in einem sterilen Appartment zugesehen, wie sich der mexikanische Torwart Guillermo Ochoa in die achtarmige hinduistische Gottheit Brahma verwandelte und mit jedem Arm einen Ball vom Kopf oder Fuß der brasilianischen Angreifer abwehrte. Dieses Spiel ist fürdie Entwicklung der kroatischen Qualifikationsgruppe wichtig, mir allerdings aus einem anderen Grund. Wenn die Brasilianer bis zum Ende kein Tor schießen, wenn sie Ochoas wunderbaren Wall nicht durchbrechen, dann wird dieses Spiel in Mexiko zur Legende und siebenjährige Jungs, für die diese Weltmeisterschaft ein Initiationsritus ist, werden sich an Guillermo Ochoa erinnern wie ihre Väter an den allmächtigen Stürmer Hugo Sanchez und ihre Großväter und Urgroßväter an den heute schon namenlose Zauberkünstler des Fußballs, einen der Mitstreiter des Revolutionärs Benito Juarez, der Mexiko Ruhm eingebracht und in Spielen gegen Größere und Mächtigere gewonnen hat. Denn so weitläufig Mexiko auch ist, so viele Menschen dort auch wohnen, so prächtig seine Kultur auch sein mag, und so sehr es auch auf der Welt keinen gibt, der den Mexikaner und seinen Sombrero nicht kennt, es ist letztlich doch das Land der Fußballniederlagen. Und deshalb wirkt Guillermo Ochoa wie eine achtarmige Göttin, die zur lokalen Fußballlegende wird.

Guillermo Ochoa - Die achtarmige Göttin. Foto: picture alliance/dpa |  Chema Moya
Guillermo Ochoa – Die achtarmige Göttin. Foto: picture alliance/dpa | Chema Moya

Er wehrt nicht nur die brasilianischen Angreifer ab, sondern kämpft gegen ein festgeschriebenes mexikanisches Fußballschicksal. Deshalb habe ich mich gefreut, dass sie ihm auch in den letzten Sekunden kein Tor verpasst haben. Dadurch wurde er unsterblich. Sicher, seine Unsterblichkeit ist im Moment noch lokaler Natur, sie wird sich über Dörfer und Wüstenstädte ausbreiten, über die Vororte dieser riesigen mexikanischen Metropole, und doch ist diese Art von Unsterblichkeit die einzige, die im Fußball zählt. Sie wird das Geheimnis des Spiels von Generation zu Generation übertragen, die Legende vom achtarmigen Tormann oder vom Stürmer, der besser ist als alle anderen, und diese Legende ist größer und wichtiger als die globale Geschichte von Lionel Messi oder vom portugiesischen Pfau und Blender Ronaldo. Globale Legenden werden letztlich immer von großen Marketingstrategien großer internationaler Unternehmen unterstützt, oder, wie im Falle Russlands und Kroatiens, von staatlichen oder staatsähnlichen Nachrichtendiensten, die lokalen Legenden hingegen sind ein Produkt des Spiels und des kindlichen Glaubens an das Spiel.

Am Tag, nachdem Mexiko gegen Brasilien unentschieden gespielt hat, bin ich kurz vor Mitternacht in ein Café gegangen und habe dort im Garten des Cafés gegenüber der Kirche des Heiligen Anton, die der geniale slowenische Architekt Jože Plečnik zwischen zwei Kriegen dort errichtet hat, das Spiel Kroatien – Kamerun angeschaut. Mich interessierten die Leute, junge und mittelalte Männer, die dort an einem öffentlichen Ort in Belgrad das Spiel der kroatischen Nationalmannschaft verfolgen. Immerhin haben zwei Völker Krieg geführt, zwei nationalistische politische Eliten und heutzutage wird der Krieg mit anderen Mitteln fortgesetzt, und so fand ich es interessant zuzusehen, wie darauf die normale Kneipen-Fan-Welt reagiert.
Keiner weiß, dass ich Kroate bin. Ich sage es ihnen nicht und anhand meiner Reaktionen auf die Ereignisse, die auf einer großen Leinwand übertragen werden, können sie nicht ablesen, für wen ich bin. Aber vielleicht weiß ich das selbst nicht. Wer weiß.

Gegen Kamerun gelang den Kroaten alles, was ihnen gegen Brasilien mißlang. Sie spielten aggressiv und kraftvoll, im Bewusstsein, dass man ihnen zu Hause zuschaut. Die Kameruner traten auf dieselbe Weise auf wie schon gegen Mexiko, wie ein verstimmtes Orchester, das sich kurz vor dem Auftritt zum ersten Mal getroffen hat. Als interessierte sie das Spiel überhaupt nicht, sondern als warteten sie nur darauf, dass es endlich vorüberging. Es ging auch vorüber, und zwar mit vier Bällen im Tor. Auch der portugiesische Schiedsrichter war den Kroaten zugetan, wahrscheinlich damit sie sich nicht mehr über den japanischen Schiri im Spiel gegen Brasilien ärgern.
Die Runde im Café fing schon vor Ende der ersten Halbzeit an auseinderzugehen. Manche seufzten enttäuscht auf. Andere trösteten sie: Sollen sie doch gewinnen, die Nachbarn! Als freuten sie sich, dass die Kroaten gewinnen. Genauso wie sie sich freuen würden, wenn sie verlören. Sie lieben und hassen sich gleichzeitig.

Während sich der Juben in Belgrad in Grenzen hielt, wurde in Zagreb der 4:0 Sieg der Kroaten ausgiebig gefeiert. Foto: EPA | Antonio Bat
Während sich der Juben in Belgrad in Grenzen hielt, wurde in Zagreb der 4:0 Sieg der Kroaten ausgiebig gefeiert. Foto: EPA | Antonio Bat

Die Ambivalenz der Gefühle ist das charakteristische Merkmal des serbisch-kroatischen Verhältnisses.
Jetzt folgt das Spiel gegen Mexiko.
Das wird interessant, denn aus den ersten beiden Runden können wir uns kaum vorstellen, was die Kroaten für die Mexikaner darstellen und was die Mexikaner für die Kroaten, wie die einen auf die anderen reagieren werden. Die Mexikaner können verlieren, die Kroaten nicht, auch wenn die einen ebenso eher Krieg führen als Fußball spielen. Aber ihr Krieg ist romantischer als der kroatische. Die Kroaten inszenieren Ereignisse aus dem Zweiten Weltkrieg, während Mexiko in der Zeit ihrer ruhmvollen Revolution geblieben ist, als sie einen der potentiellen Thronfolger Österreich-Ungarns verloren und so indirekt auf die Umstände einwirkten, die zum Ausbruch des Großen Kriegs führten. Eigentlich kann man sagen, dass die Mexikaner den Kroaten den Thronfolger ermordet haben, denn die Kroaten waren – so jedenfalls interpretieren sie heute ihre Gefühle – Österreich-Ungarn treu ergeben. Den einen haben die Mexikaner also getötet, den andern, am 28. Juni 1914 die Serben! Da haben Sie ihn hundert Jahre später, den Brennstoff für Fußballnationalismus.
Und was bedeuten die Kroaten den Mexikanern, was wissen die Mexikaner über die Kroaten? Wahrscheinlich nichts.


Snažni prolaz prema osmorukom bogu

Pred utakmicu Brazil – Meksiko doputovao sam u Beograd, i sam, u aseptičnom apartmanu, gledao kako se meksički golman Guillermo Ochoa pretvara u osmoruko hinduističko božanstvo Brahmu, i svakom rukom skida barem po jednu  loptu s glave ili noge brazilskih napadača. Ta je utakmica važna za razvoj prilika u Hrvatskoj kvalifikacijskoj grupi, ali meni je važnija zbog nečega drugog. Ako Brazilci do kraja ne zabiju gol, ako ne probiju Ochoin čudesni bedem, ova će utakmica u Meksiku postati legendarna, i neki će sedmogodišnji dječaci, koji na ovome svjetskom prvenstvu doživljavaju nogometnu inicijaciju, pamtiti Guillerma Ochou kao što su njihovi očevi pamtili svemogućeg centarfora Huga Sancheza, a djedovi i pradjedovi nekoga danas već bezimenog čarobnjaka nogometne igre, nekoga pobratima revolucionara Benita Juareza, koji je pronosio slavu Meksika i pobjeđivao u utakmicama protiv jačih, većih i moćnijih. Jer koliko god Meksiko bio prostran i mnogoljudan, koliko god raskošna bila meksička kultura, i na svijetu nema čovjeka koji ne zna za Meksikanca i njegov sombrero, to je, na kraju krajeva, uvijek bila nacija nogometnih gubitnika. Zato Guillermo Ochoa djeluje kao osmoruko božanstvo, koje će ući u lokalne legende nogometne igre. On ne brani samo protiv brazilskih napadača, nego brani i protiv zapisane meksičke nogometne sudbine. Zato mi je bilo drago što ni u posljednjim sekundama nije primio gol. Ne primivši ga, postao je besmrtan. Istina, njegova besmrtnost zasad je lokalna, širit će se selima i pustinjskim varošima, predgrađima one goleme meksičke metropole, ali ta vrsta besmrtnosti u nogometu jedino i jest važna. Ona s generacije na generaciju prenosi tajnu igre, legendu o osmorukom golmanu ili o napadaču boljem od svih, i ta je legenda veća i važnija od globalne pripovijesti o Leu Messiju ili o portugalskom paunu i pozeru Ronaldu. Globalne legende su, na kraju, podržane marketinškim strategijama velikih međunarodnih korporacija ili, kao u Rusiji i Hrvatskoj, državnim, paradržavnim i obavještajnim službama, a lokalne su legende proizvod igre i dječje vjere u igru.
Dan nakon što je Meksiko odigrao neriješeno s Brazilom pred ponoć sam otišao u kafanu, i u jednoj kafanskoj bašti, preko puta crkve svetoga Ante, koju je između dva svjetska rata projektirao genijalni slovenski arhitekt Jože Plečnik, gledao  utakmicu između Hrvatske i Kameruna. Zanimalo me je društvo, mlađi i sredovječni muškarci, koji tako na javnome mjestu, u Beogradu, gledaju utakmicu hrvatske reprezentacije. Dva su naroda ratovala, dvije nacionalističke političke elite i danas taj rat nastavljaju drugim sredstvima, pa je zanimljivo vidjeti kako na to reagira običan kafanski i navijački svijet.
Ne znaju da sam Hrvat. Ne govorim im to, a po mojim reakcijama na zbivanja koja se prenose na široko projekciono platno, ne mogu ni pretpostaviti za koga navijam. A možda ni sam u to nisam siguran. Tko zna.
Hrvati su protiv Kameruna ostvarili sve ono što nisu mogli protiv Brazila. Igrali su agresivno i snažno, svjesni da ih gledaju kod kuće. Kamerunci su nastupili kao i protiv Meksika, kao raštimani orkestar, koji se prvi put sreo prije nastupa. Kao da nisu bili zainteresirani za igru, nego su jedva čekali da sve što prije prođe. Na kraju je i prošlo, sa četiri gola u mreži. Hrvatima se pri ruci našao i portugalski sudac, valjda da se prestanu ljutiti zbog suđenja japanskog suca u utakmici protiv Brazila.
Društvo iz kafanske bašče počelo se osipati već pred kraj prvoga poluvremena. Neki su razočarano uzdisali. Drugi su iz tješili: Neka komšija! Kao, drago im je da Hrvati pobjeđuju. Kao što bi im bilo drago i da gube. Ambivalentnost u osjećajima   karakteristika je srpsko-hrvatskih odnosa. Vole se i mrze, istovremeno.
Slijedi utakmica s Meksikom.
To će biti zanimljivo, jer iz prva dva kola ne možemo ni zamisliti što su Hrvati Meksikancima, a što su Meksikanci Hrvatima, i kako će jedni reagirati na druge. Meksikanci umiju da gube, a Hrvati ne, premda i oni više ratuju nego što igraju nogomet. Ali njihov rat od hrvatskoga je romantičniji. Hrvati insceniraju zbivanja iz Drugoga svjetskog rata, dok je Meksiko ostao u vremenima svoje slavne revolucije, kada su pogubili jednoga od potencijalnih Austro-Ugarskih prestolonasljednika, i na takav način neizravno utjecali na okolnosti izbijanja velikoga rata. Moglo bi se, zapravo, reći da su Meksikanci Hrvatima ubili prestolonasljednika, jer su Hrvati – barem kako danas interpretiraju svoje osjećaje – bili vjerni podanici Austro-Ugarske. Jednoga ubiše oni, drugoga su 28. lipnja 1914. ubili Srbi! I eto sto godina kasnije goriva za nogometni nacionalizam.
A što su Hrvati Meksikancima, što Meksikanci znaju o njima? Vjerojatno ništa.

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