„Ungarische Werbesteuer macht Medien kritisch“ – Ein Audiobeitrag von Stephan Ozsváth
Fernseh-Zuschauer in Ungarn reiben sich seit zwei Wochen verwundert die Augen. Der Privat-Sender RTL Klub, der sich bislang kaum mit Politik befasst hat, sendet plötzlich extrem kritische Berichte: Etwa über den Bürgermeister von Felcsut, dem Heimatort des Ministerpräsidenten. Der Stadtobere hat es vom Gas-Installateur zum Millionär gebracht. Unter die Lupe genommen wird neuerdings auch das Vermögen von Viktor Orbans Vater. Investigativ-Journalisten befassen sich mit diesen Themen schon lange. Etwa das ungarische Wikileaks, atlatszo.hu. Aber RTL erst seit kurzem.
RTL Klub Berichterstattung nach Verabschiedung der Werbesteuer:
Was ist das Erfolgsgeheimnis des Felcsuter Bürgermeisters?
Die Vermögensvermehrung von Orbans Vater wird untersucht.
Peter Harrach von den Christdemokraten, dem Mini-Koalitionspartner der Regierungspartei Fidesz, glaubt, die Zunahme der regierungskritischen Berichte bei RTL Klub habe mit der Einführung einer bis zu 40-prozentigen Steuer auf Werbeeinnahmen zu tun. Die hatte die Regierung jüngst verabschiedet. Ministerpräsident Viktor Orban verteidigte sie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit den Worten, es sei „nur gerecht, wenn der, der viel verdient, auch mehr Steuern bezahlt.“ Das gelte für die Banken – und für alle anderen auch.

Die nationalkonservative Regierung Orban hatte bereits mit Sondersteuern für Banken und multinationale Firmen für Unmut gesorgt – auch in Brüssel. Medien-Branchen-Primus RTL-Klub hat im vergangenen Jahr gut 100 Millionen Euro Umsatz in Ungarn gemacht. Beim Sender, der der deutschen Bertelsmann-Gruppe angehört, würde der Höchstsatz von 40 Prozent Steuer greifen. „Das ist ein Angriff auf RTL Klub“ schimpft Programmdirektor Peter Kolosi, „und ein Angriff auf die ungarische Pressefreiheit “.
Das sehen mittlerweile sogar regierungsfreundliche Medien so. Die Tageszeitung „Magyar Nemzet“ beschwor den Frontalangriff auf die Pressefreiheit in einem Leitartikel. Zahlreiche Zeitungen, Online-Medien und Fernseh-Sender protestierten mit weißen Seiten und schwarzen Bildschirmen – auch regierungsfreundliche. Auch auf die Straße gingen die Ungarn – unter anderem auch, weil Kanzleramtschef Janos Lazar wegen kritischer Berichte, ihn selbst betreffend, bei der Telekom vorstellig geworden sein soll – der verantwortliche Chefredakteur des Nachrichtenportals Origo – das der Telekom gehört – musste gehen.
Fotos der Demonstration gegen die Entlassung auf pusztaranger.wordpress.com
Aufgrund der kritischen Berichte in RTL Klub bezeichnete Lazar den Bertelsmann-Ableger jetzt als „korrupt“. Der Privatsender RTL betrachte Ungarn offenbar als Kolonie, so Lazar. Ohne Steuer gebe es keine kritischen Berichte, mit Steuer befasse man sich kritisch mit den Regierenden. Das sei undenkbar in einem EU-Land, so die rechte Hand Viktor Orbans. Bei den Zuschauern dagegen kommt die neue Kritikfreude offenbar an. „Die ´Königsmedien´ zu verfolgen“, sagt dieser Zuschauer und meint damit die regierungsnahen Medien, „lohnt sich nicht, wenn man wahrhaftige Informationen haben will.“ Am Ende werde sich das für RTL Klub auszahlen, wenn der Privatsender klarer Kante zeige: „Dann wird die Zuschauerzahl sicher messbar steigen“, glaubt der Mann.