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Ungarn und die Familienpolitik Orbans
Kindersegen mit Kredit
Ministerpräsident Viktor Orban will die Ungarinnen mit beträchtlichen finanziellen Anreizen dazu bewegen, mehr Kinder zu bekommen. In seiner Ansprache am vergangenen Sonntag hat er neue Vorschläge unterbreitet, um die ungarische Geburtenrate zu erhöhen. Statistisch lag diese Rate im Jahr 2016 bei 1,45 Geburten pro Frau. «Das ist die Antwort der Ungarn (auf den Geburtenrückgang), nicht die Migration», so Orban bei der Vorstellung der neuen Maßnahmen. Was halten ungarische Frauen von diesen Plänen und wie realistisch ist die Annahme, mit finanziellen Anreizen die Geburtsrate im Lande zu beeinflussen?
Orbans Offerte lautet: Jeder Frau unter 40, die zum ersten Mal heirate, werde einen Kredit in Höhe von 10 Millionen Forint (€ 31.000) zur freien Verwendung gewährt. Die Rückzahlung des Kredits werde bei der Geburt des ersten Kindes drei Jahre lang ausgesetzt, nach dem zweiten Kind werde ein Drittel des Kredits, nach dem dritten der gesamte Kredit erlassen. Zudem werde seine Regierung Kredite auch für den Wohnungskauf von Familien vergeben und die Bürgschaften je nach Kinderzahl teilweise übernehmen. Vergleichbares soll auch für den Autokauf gelten: Familien mit drei Kindern und mehr erhalten beim Erwerb eines mindestens siebensitzigen Fahrzeugs einen Zuschuss vom Staat in Höhe von 2,5 Millionen Forint – umgerechnet rund € 7.8000.
Sicherlich habe sie von den familienpolitischen Ankündigungen des Ministerpräsidenten gehört, sagt Emöke Hugyecz, die mit ihrer kleinen Tochter unterwegs ist. Sie halte von den Krediten für junge Familien eine ganze Menge, schränkt allerdings ein: „Man soll es aufmerksam überprüfen. Es gibt immer Details mit dem Kleingedruckten. Natürlich könnten wir diese Summe gut gebrauchen.“
Ich habe schon drei Kindern, und möchte keine mehr haben, egal wie günstige Kredite sind, die sie uns anbieten. Ich möchte meine Familie nicht verschulden.
Szilvia Rózsahegyi
Dorottya Szikra, Soziologin an der ungarischen Akademie der Wissenschaften, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Wechselwirkung zwischen familienpolitischen Anreizen und sozialen Unterschiede. Die vorgeschlagenen Maßnahmen beträfen nur kleine Schicht, dabei gehe es um große finanzielle Summen. Nur diejenigen, die kreditfähig seien, könnten auf diese Angebote eingehen, sagt sie: „Dafür ist mindestens ein Durchschnittslohn und ein fester Arbeitsplatz notwendig. Möglicherweise sollte der Ehemann auch arbeiten. Das heißt: So eine stabile Familie ist nötig, was bei heutigen Jugendlichen nicht häufig ist.“
Insgesamt richteten sich die neuen familienpolitischen Pläne Orbans an einen „begrenzten Kreis“, so die Soziologin Dorottya Szikra. Profitieren werde vermutlich „der Mittelstand und weiter oben.“ Eine Trendwende erwarte sie von den Maßnahmen nicht, etwas dass man später, in einigen Jahren, davon sprechen könnte: Mit diesem Programm sei der Geburtsrückgang gestoppt worden.
Die Familienpolitik betrachtet Ministerpräsident Orban als Teil seiner Antimigrationspolitik: Im Gegensatz zu anderen EU-Mitgliedsländern, die ihre sinkenden Bevölkerungszahlen durch Einwanderung ausgleichen wollten, setze Ungarn auf – so Orban in seiner Ansprache wörtlich – „ungarische Kinder.“ Bei der Opposition fällt das Echo zurückhaltend aus.
Es gibt hier positive und gute Schritte, die in die richtige Richtung gehen. Aber es gibt noch Familien in Ungarn, die die Regierung völlig vergisst. In Ungarn bestehen 20 Prozent der Familien aus Alleinerziehenden. Und für diese Familien hat Viktor Orbán keine Maßnahmen angekündigt.
Máté Kanász von der liberalen Partei LMP